Bain-Report: Immer mehr Kapitalgeber meiden den Energie- und Rohstoffsektor
Klimawandel, Energiewende, Kapitalmangel: Dem Energie- und Rohstoffsektor stehen gravierende Umwälzungen bevor. Insbesondere Versorger, Öl- und Gasproduzenten, Chemiekonzerne sowie Bergbauunternehmen müssen sich und ihr Geschäftsmodell zum Teil neu erfinden. Denn viele Investoren wenden sich von der Branche ab. Der Anteil des Energie-, Rohstoff- und Industriesektors am Börsenindex S&P 500 etwa ist bis Ende 2020 auf 16 Prozent gefallen. Im Jahr 2010 hatte er noch bei 30 Prozent gelegen. Allein die fünf führenden Öl- und Gasproduzenten verloren seit 2015 insgesamt rund 200 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung. Das hat der „Global Energy and Natural Resources Report 2021: Navigating the Energy Transition“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company ergeben.
„Aktionäre und aktivistische Investoren haben den etablierten Energie- und Rohstoffkonzernen klargemacht, dass beim Thema Nachhaltigkeit Stillstand keine Option mehr ist“, sagt Bain-Partner Michael Staebe, der die Praxisgruppen Industriegüter und -services sowie Energiewirtschaft in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz) leitet. „Dennoch sind deren Erfahrung, Kompetenzen und wirtschaftliche Bedeutung einfach unverzichtbar, um die Energiewende zu meistern.“ Für die Marktführer gelte es eine Vorreiterroller einzunehmen, was Ökobilanz und das Vorantreiben von Innovationen anbelange. Darüber hinaus müssten sie eine glaubwürdige ESG-Strategie verfolgen und so Investoren von sich überzeugen.
Eine Analyse der Kosten und Komplexität der Emissionsreduktion offenbare, in welchen Sektoren die größten Potenziale in Europa liegen. So sei der CO2-Ausstoß bei der Energieerzeugung beispielsweise vergleichsweise hoch. Zugleich seien dort die erforderlichen Technologien zur Reduzierung der Emissionen aber oft schon erprobt und die Mittel für die nötigen Investitionen – abhängig von den jeweiligen regulatorischen Rahmenbedingungen – relativ einfach zu heben. Insgesamt aber zähle es mittlerweile zu den größten Herausforderungen, genügend Kapital zu mobilisieren, um die Klimaziele zu erreichen, die sich etliche Länder und Branchen gesetzt haben. „Schon seit einigen Jahren lässt sich weltweit ein verstärkter Kapitalabfluss aus dem Energie- und Rohstoffsektor in Bereiche wie Technologie, Finanzdienstleistungen und Konsumgüter beobachten“, stellt Branchenkenner Staebe fest. Der Zeitpunkt dieser Verschiebung sei besonders kritisch, da der gesamte Energie- und Rohstoffsektor schnellstmöglich auf neue Technologien umrüsten müsse, um emissionsarme und nachhaltige Lösungen zu schaffen.
Entsprechend seien die Unternehmen gefordert, mit einer überzeugenden ESG-Strategie Kapitalgeber für sich zu gewinnen. Laut Report sind dabei vier Maßnahmen besonders Erfolg versprechend: Erstens sollte ein realistischer Fahrplan für die Dekarbonisierung entwickelt werden. Jeder zweite im Rahmen des Reports analysierte Energie- und Rohstoffkonzern hat die Energiewende in seiner Unternehmensstrategie fest verankert und stellt Netto-Null-Emissionen in 25 bis 30 Jahren in Aussicht. Vorreiterunternehmen koppelten unter anderem die Vergütung des Managements an das Erreichen der ESG-Ziele. Zweitens sollten die Chancen der Wasserstofftechnik genutzt werden. Traditionelle CO2-Vermeidungsstrategien reichten nicht mehr aus. Ein vielversprechender innovativer Ansatz sei die Nutzung von emissionsarm produziertem Wasserstoff. Zudem sollten alte und neue Märkte strategisch kombiniert werden. Energie- und Rohstoffunternehmen müssten eine Balance zwischen ihrem derzeitigen Kerngeschäft und neuen Wachstumschancen finden. Als vierten Punkt gibt Bain an, Technologien und Prognosesysteme fit für die zu Zukunft machen. Der verstärkte Einsatz unter anderem von künstlicher Intelligenz ermögliche hingegen eine exaktere Vorhersage der Kundenbedürfnisse, eine zielgenauere automatisierte Planung der Energielieferketten und damit auch niedrigere CO2-Emissionen. (DFPA/mb1)
Quelle: Pressemitteilung Bain
Bain & Company Inc. ist ein Managementberatungsunternehmen mit Sitz in Boston. Das 1973 gegründete Unternehmen unterhält 61 Büros in 38 Ländern.