Vertriebswege in der Lebensversicherung: Makler erleben Renaissance
Die Vertriebswege in der Lebensversicherung in Deutschland zeigen für das Jahr 2016 starke Verschiebungen: Während Bank- und Direktvertrieb teilweise deutlich an Marktanteilen eingebüßt haben, erleben die unabhängigen Vermittler ein Comeback. Sie sind nunmehr der führende Vertriebskanal mit einem Marktanteil von knapp 29 Prozent. Dies geht aus dem Vertriebswege-Survey für die Lebensversicherung hervor, den die Unternehmensberatung Willis Towers Watson 2017 bereits zum 18. Mal erhoben hat.
„2016 war ein weiteres herausforderndes Jahr für deutsche Lebensversicherer“, sagt Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungsberatung bei Willis Towers Watson in Deutschland. „Der Kostendruck ist weiterhin hoch, das spürt auch der Vertrieb: Seit 2011 reduziert sich die Anzahl der Versicherungsvermittler stetig, vor allem bei den gebundenen Vermittlern der Ausschließlichkeitsorganisationen (AO).“
Das Neugeschäftsvolumen nach APE (Summe aus laufenden Prämien plus zehn Prozent der Einmalprämien) in der Lebensversicherung sank 2016 um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dabei lag das Einmalbeitragsgeschäft nur noch leicht im Minus (minus 4,1 Prozent) und lieferte mit 24,8 Milliarden Euro das vierthöchste Neugeschäftsergebnis bei Einmalbeiträgen überhaupt. Das Neugeschäft gegen laufende Beiträge konnte sogar leicht zulegen auf 3,6 Milliarden Euro (plus 0,7 Prozent).
Nach Jahren rückläufiger Anteile konnte der Maklervertrieb deutlich zulegen und sich, wenn auch sehr knapp, an die Spitze der Vertriebswege setzen. Der Marktanteil der unabhängigen Vermittler stieg von 26,3 auf 28,7 Prozent. „Die Gründe dafür sind vielfältig“, so Ulrich Wiesenewsky, Leiter Distribution Services bei Willis Towers Watson und verantwortlich für die Vertriebswegestudien. „Zum einen hat der Absatz von fondsgebundenen Produkten 2016 signifikant zugenommen – ein Segment, in dem die Makler traditionell stark sind und sich 2016 um deutliche 3,5 Prozentpunkte steigern konnten. Auch in den Bereichen Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU) und betriebliche Altersvorsorge (bAV) konnten diese ihren ohnehin schon hohen Marktanteil von mehr als 50 Prozent jeweils noch ein Stück weiter ausbauen.“ Ein dritter Treiber war jedoch erstmalig das Einmalbeitragsgeschäft: „In einem schrumpfenden Markt haben die unabhängigen Vermittler ihr Verkaufsvolumen fast gehalten und damit auch dort ihren Marktanteil erhöht.“
Deutliche Verluste musste dagegen der Bankvertrieb hinnehmen, der vor allem im Einmalbeitragsgeschäft an Marktanteilen verlor. Mit 28,6 Prozent insgesamt liegt er aber nur knapp hinter den unabhängigen Vermittlern. Der Anteil der AO im Gesamtmarkt liegt mit 27,2 Prozent nur unwesentlich niedriger als im Vorjahr. In den meisten Produktkategorien ergaben sich für die AO nur geringfügige Verschiebungen. Lediglich in den beiden vergleichsweise kleinen Produktgruppen der geförderten Riester- und Basisrenten verlor die AO bis zu vier Prozentpunkte.
„In der Gesamtbetrachtung nach APE sind die drei wichtigsten Vertriebswege Makler, Bank und AO wieder sehr eng aneinandergerückt“, so Wiesenewsky. „Spannend bleibt die Frage, ob und wann der Direkt-Vertrieb wirklich Fahrt aufnimmt: Versicherer messen diesem schon lange zunehmende Bedeutung bei, aber im abgelaufenen Jahr ist der Anteil um circa 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr und um nahezu 40 Prozent im Drei-Jahres-Vergleich dramatisch eingebrochen.“
„Es zeigt sich einmal mehr, dass sich der Absatz über elektronische Kanäle eher für standardisierte und Pull-Produkte, also aktiv nachgefragte Produkte, eignet“, sagt Klüttgens. „In der Lebensversicherung dagegen müssen Produkte meist ein Leben lang halten und die Angebote sind komplex und erklärungsbedürftig – daraus ergibt sich ein hoher Beratungsbedarf, so dass Kunden schon immer und auch künftig an eine Bedarfssituation durch einen Berater herangeführt werden müssen.“
Trotz des Einbruchs des Direktvertriebs in den letzten Jahren sehen die Befragten dennoch das größte Wachstumspotenzial bei den Online-Vergleichsportalen und im Direktvertrieb: 100 beziehungsweise 89 Prozent erwarten eine gleichbleibende oder steigende Bedeutung dieses Vertriebskanals für den Gesamtmarkt. Für das eigene Unternehmen zeichnet sich folgendes Bild: Hier erreichen die unabhängigen Vermittler wieder größeren Zuspruch mit 84 Prozent für gleichbleibende oder wachsende Bedeutung. Die stabilen Säulen des Vertriebs bilden darüber hinaus die AO (74 Prozent) und Banken (69 Prozent).
Willis Towers Watson erwartet im Bereich der Lebensversicherung kurzfristig noch keine deutlichen Zuwächse für den Online- und Direktvertrieb. Weitere Wachstumschancen bietet der Maklervertrieb – zumindest mittelfristig, so lange fondsgebundene Versicherungen sowie SBU und bAV attraktive Produktschwerpunkte bleiben. „Letztlich ist aber auch damit zu rechnen, dass sich die Vergütungsstrukturen weiterhin zu Ungunsten insbesondere der Makler entwickeln dürften“, erläutert Klüttgens. „Das LVRG war der erste Schritt, die IDD 2 wird 2018 kommen und weiteren Anpassungsbedarf für die Vertriebslandschaft mit sich bringen.“
Quelle: Pressemitteilung Willis Towers Watson
Willis Towers Watson bietet Advisory, Broking und Solutions. Das Unternehmen beschäftigt rund 39.000 Mitarbeiter in mehr als 120 Ländern. (AZ)