Ein neues Regelwerk von zweifelhafter Haltbarkeit
Gastbeitrag von Dr. Frank Ulbricht, Vorstand der BCA AG und Vorstandsvorsitzender der Bank für Vermögen AG. Er plädiert für eine fünfjährige Erprobung der novellierten FinVermV:
Mehr als zwei Jahre hat es gebraucht, bis der Bundesrat über die neue, veränderte Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) abgestimmt hat. Die Parlamentarier haben den Referentenentwurf in seiner zweiten Fassung ohne Änderungen angenommen. Bringt dieser der freien Finanzberatung nun die lang ersehnte Planungssicherheit?
Mit der neuen FinVermV werden die Regeln im Bereich der freien Finanzberater auf den Standard der europäischen Finanzmarktrichtlinie (MiFID II) angeglichen. Ein Vorhaben, das schon seit Anfang 2018 fällig war und ursprünglich zum Start der MiFID II erledigt sein sollte. Zehn Monate haben die Maklerpools und die freien Finanzberater nun Zeit, die neue Gesetzesnovelle in ihrem Berateralltag umzusetzen.
Schon in den ersten Entwürfen zeichnete es sich ab, dass das Taping kommen wird. Nun ist es beschlossene Sache. Die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht bedeutet für freie Finanzberater, die sich keinem Pool oder Haftungsdach angeschlossen haben, einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand. Nicht nur die Telefonate müssen künftig aufgezeichnet werden, sondern auch der elektronische Schriftverkehr. Auch die Aufbewahrungspflichten haben sich von fünf auf zehn Jahre verlängert.
Taping im Widerspruch zur Bundesregierung
Anzumerken ist, dass das Taping der neuen FinVermV im klaren Widerspruch zu den jüngsten Aussagen der Bundesregierung steht. Erst Ende August hatte sie sich im Rahmen der MiFID-II-Evaluation gegenüber Brüssel klar gegen das alternativlose Taping ausgesprochen. In einem Positionspapier forderte das Bundesfinanzministerium, dass der Kunde die Aufzeichnung ablehnen können muss.
Dennoch wurde jetzt die Verpflichtung zum Taping mit der neuen Verordnung verabschiedet, ohne auf die aktuellen Aussagen der Regierung Rücksicht zu nehmen. Nun kann es gut sein, dass im Zuge der MiFID II-Evaluation im nächsten Jahr die Einführung des Tapings inklusive aller damit verbundenen Kosten überflüssig gewesen sein könnte. Vor allem, wenn das Taping auf EU-Ebene wieder zurückgenommen werden sollte, müsste auch Deutschland hier wieder zurückrudern.
Informationspflichten werden nicht strenger
Glücklicherweise haben sich die Empfehlungen des Ausschusses für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates nicht durchgesetzt. Der Ausschuss hatte strengere Informationspflichten für Finanzanlagenvermittler auch bei Altersvorsorgeprodukten gefordert. Allein die Übergabe des Produktinformationsblatts sei dafür nicht ausreichend. Außerdem wollte der Ausschuss, dass bei Altersvorsorgeprodukten automatisch die Kosten der Vermittlung offenzulegen sind.
Zu den weiteren Änderungen der neuen FinVermV gehören unter anderem, dass Interessenkonflikte mit Kunden vermieden und – wo nicht möglich – offengelegt werden müssen. Zudem sind die Beratungs- und Informationspflichten neu geregelt worden. Darin wird unter anderem die bisherige Beratungsdokumentation durch eine Geeignetheitsprüfung ersetzt.
FinVermV nur von kurzer Lebensdauer?
Mit zweijähriger Verspätung ist die neue FinVermV nun beschlossene Sache, ihre Lebensdauer aber ist schon jetzt auf den 31.12.2020 beschränkt. Die Verordnung steht in Korrelation mit dem, was das Bundesfinanzministerium (BMF) will. Denn mittelfristig sollen die Regelungen in das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) übernommen werden. Den Plänen des BMF zufolge soll das zum 1. Januar 2021 mit dem Aufsichtswechsel hin zur BaFin geschehen.
Sollten diese Pläne umgesetzt werden, würde ein neuer Gesetzesentwurf dem Bundesrat vorgelegt und die aktuelle Verordnung wäre obsolet. Die BaFin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele hat zu diesem Wechsel im aktuellen „BaFin-Journal“ klargestellt, dass die BaFin dafür sorgen könne, dass „freie Finanzanlagenvermittler nach Standards beaufsichtigt werden, die mit denen für Banken vergleichbar sind”. Für die freien Finanzanlagevermittler bedeutet diese Bemerkung, dass es eventuell künftig noch weitere Regelungen und Organisationspflichten geben könnte.
Regulierung erst einmal wirken lassen
Besser wäre es, die neue FinVermV erst einmal für fünf Jahre in der Praxis zu erproben, um dann aus diesen Erfahrungen heraus zu überprüfen, ob eine weitere Regulierung überhaupt notwendig ist. Ein wenig Zeit zum Durchatmen im Regulierungsmarathon täte der Finanzbranche gut, auch um das neue Regelwerk in ihre Prozesse zu implementieren und im Beratungsalltag zu testen. Dabei sollte je nach Ergebnis auch nicht ausgeschlossen werden, einzelne Bestandteile der Regulierung wieder etwas zurückzunehmen, wenn sich die Theorie in der Praxis nicht bewährt – im Sinne des Verbrauchers und der freien Finanzberatung.
EXXECNEWS-Autor Dr. Frank Ulbricht ist Vorstand der BCA AG und Vorstandsvorsitzender der Bank für Vermögen AG (BfV). Die 1985 gegründete BCA mit Sitz in Oberursel im Taunus ist einer der größten Maklerpools in Deutschland. Dem Maklerpool sind derzeit rund 9.300 unabhängige Finanzdienstleister angeschlossen. Die BfV ist eine einhundertprozentige Tochter der BCA, die als Wertpapierhandelsbank der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) untersteht. Die Leistungen der BfV erstrecken sich auf die Geschäftsfelder Haftungsdach und Vermögensverwaltung. Der Gastbeitrag ist zuerst erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 21/2019.