Neue Formen der Geldanlage durch Blockchain?
Gastbeitrag von Dr. Sven Hildebrandt, DLC Distributed Ledger Consulting
Am 25. Juni 2019 hat die CDU/CSU-Fraktion ein Eckpunktepapier mit dem Titel „Zukunftstechnologie Blockchain – Chancen für Deutschland nutzen“ beschlossen, welches unterschiedliche Implikationen für die Finanzindustrie bereithält. Grundsätzlich fällt auf, dass die Fraktion dem Thema überaus zugeneigt ist und unter anderem „Mut und Entschlossenheit“ staatlicher Akteure im Hinblick auf die gegebenenfalls notwendigen Anpassungen des Rechtsrahmens fordert. Darüber hinaus wird auch nicht davor zurückgeschreckt, bestehende Anbieter notfalls per Gesetz zur Öffnung von Schnittstellen zu zwingen, um Vorteile für die Verbraucher durchzusetzen.
Konkret begrüßt die Fraktion etwa die Einführung digitaler Wertpapiere „mit Nachdruck“. Dies sei ein „wichtiger Schritt“, um weiterhin als attraktiver Wirtschaftsstandort wahrgenommen zu werden. Insgesamt widmen die Autoren der digitalen Unternehmensfinanzierung sowie den diesbezüglichen Teilaspekten fast die Hälfte ihres gesamten Papiers und führen – neben dem zu Beginn fast schon als selbstverständlich dargestellten Sachverhalt, dass „Wallets, die Kryptoassets traden, sich für den normalen Anleger zu einem praktischen Tool entwickeln werden“ – unter anderem die „Digitale GmbH“ ein. Anteile an diesen Digitalen GmbHs sollten ohne Notar sowohl auf öffentlich zugänglichen als auch geschlossenen Blockchain-Systemen via Token übertragbar sein. Unabhängig davon solle die Bundesrepublik auch ein Blockchain-basiertes Handelsregister (als nächstes wäre dann das Liegenschaftsregister „an der Reihe“) schaffen, und sich im Zweifel für die gegebenenfalls erforderlichen Rechtsänderungen auf europäischer Ebene einsetzen.
Das Thema digitale Identität, welches für die Finanzwelt ebenso von großer Bedeutung im Hinblick auf die Themen AML (Anti-Money-Laundering) und KYC (Know-Your-Customer) ist, wird ebenfalls adressiert. Eine App zur Verwaltung der digitalen Identität und zur digitalen Identifizierung solle maßgeblich durch die Bundesdruckerei entwickelt werden, wobei man sich an der DigiD der Niederlande orientieren könne. Darüber hinaus sollten Hersteller von Hardware gegebenenfalls gesetzlich dazu verpflichtet werden, NFC-Schnittstellen für die Kommunikation zwischen digitaler ID und Gerät zu öffnen.
Am intensivsten in den Medien wurde allerdings sicherlich die Forderung nach der Einführung eines E-Euros diskutiert, welcher von den Zentralbanken oder der von ihnen beauftragten Geschäftsbanken ausgegeben werden solle.
Einschätzung
Ungeachtet der Tatsache, dass sich die CDU/CSU dem Thema Blockchain/DLT gegenüber schon seit jeher erstaunlich offen positioniert, hat selbst uns der Grad der Progressivität überrascht. So ist das Thema digitales Wertpapier, explizit nicht mit der Beschränkung auf Fremdkapitalinstrumente, definitiv nunmehr eine Frage kurzer Zeit. Gleichfalls unvorhergesehen war das klare Bekenntnis zu öffentlichen Chains, da diese das faktische Buchführungsmonopol der etablierten Finanzmarktteilnehmer obsolet machen. Auch die Forderung nach der Digitalen GmbH geht in die richtige Richtung – und eröffnet gleichzeitig die Entstehung einer komplett neuen „Assetwelt“, die wir in Anlehnung an die kleinste Einheit von Bitcoin vielleicht als „Satoshi Caps“ bezeichnen würden. In Kombination mit der Kryptowährung Libra von Facebook sowie den sogenannten „Location-Based-Services“ könnten so mittelfristig Fondskonstrukte entstehen, die das eigentliche Kosumverhalten der Kunden abbilden und diesen ohne Einschaltung eines klassischen Intermediärs (wohl aber „neuer“ Intermediäre wie beispielsweise Facebook) automatisiert ein zu 100 Prozent personalisiertes Fondsprodukt offerieren. Sicherlich wird dies noch ein wenig dauern und die Disruption insbesondere im Bereich Mikrofinanzfonds deutlich schneller vonstattengehen – sicher ist allerdings, dass die Umwälzungen durch DLT-Technologie auf den Finanzmarkt ähnliche Auswirkungen haben werden, wie das Internet auf die Medienindustrie.
EXXECNEWS-Autor Dr. Sven Hildebrandt ist Partner bei der DLC Distributed Ledger Consulting GmbH in Hamburg. Das Unternehmen bietet semiprofessionellen und professionellen Finanzmarktakteuren vollumfängliche Beratungsdienstleistungen rund um Distributed-Ledger-Technologien wie beispielsweise Blockchains. Der Gastbeitrag ist zuerst erschienen in EXXECNEWS Ausgabe 15/2019.