Wie aus einer ökonomischen Idee mit Corona eine weltweite Bewegung wurde

Dr. Thomas Dürmeier

Die Stadt Amsterdam und die Regierung von Costa Rica haben auf die Corona-Krise mit der Realisierung des „Doughnut“ der ehemalige Oxfam-Ökonomin Kate Raworth und des weltweiten Netzwerks „Wellbeing Economy Alliance“, kurz WeAll, reagiert. Sie veränderten damit in kürzester Zeit ihre politischen Realitäten. Doch was ist dieser Doughnut überhaupt? In seinem Gastbeitrag führt Dr. Thomas Dürmeier von Goliathwatch e.V. in die Theorie des Doughnuts ein.

Der Mainstream der Wirtschaftswissenschaften propagiert Konkurrenz und Wettbewerb mit dem Ziel, Wohlstand zu schaffen. Doch überall entstand statt Wohlstand Armut und Versagen von Märkten. Der französische Starökonom Thomas Piketty hat dies in seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ akribisch nachgewiesen.

Gegen das neoklassische Modell von Angebot und Nachfrage setzt die englischen Ökonomin Kate Raworth die beiden Kreise des Doughnuts. Die planetaren Grenzen  der Umweltwissenschaften und die Nachhaltigen Entwicklungsziele  der Vereinten Nationen (SDG) bilden die Innen- und Außengrenzen des Doughnut (vgl. Abb. 1: Der Doughnut der Welt). Im Gegensatz zum Konzept der SDG stehen Wirtschaft, Natur und Gesellschaft nicht gleichberechtigt zueinander. Das Wirtschaftssystem muss unterhalb der planetaren Obergrenzen und oberhalb der sozialen Untergrenzen bleiben. Wirtschaftswachstum ist nicht mehr der zentrale Lösungsweg.

Wirtschaft innerhalb sozialer und ökologischer Grenzen

Wirtschaft kann nur innerhalb von sozialen und ökologischen Grenzen stattfinden. Forscher der Universität Leeds haben für alle Länder der Welt die 21 Doughnut-Indikatoren berechnet. Während die Industrienationen zum Beispiel eher soziale Menschenrechte erfüllen, geht dies aber auf Kosten der Naturzerstörung.

Raworth hat nicht nur einen besseren Maßstab für unser Wirtschaften entwickelt, sondern auch sechs weitere Grundpfeiler einer Wirtschaftslehre für das gute Leben ausformuliert. Den Theorien von Markteffizienz, Politikversagen und dem Bild des von Eigennutz motiviertem Menschen setzt sie entgegen, dass Menschen auch sozial und kooperativ handeln. Das Wirtschaftsleben ist eingebettet in Kultur und gesellschaftliche Konventionen. Märkte sind komplexer als Angebot und Nachfrage, und das Wirtschaftssystem braucht einen politischen Rahmen, damit Ungleichheit und Naturzerstörung nicht weiterwachsen.

Eine neue Bewegung für ein besseres Wirtschaftssystem

Amsterdam hat im ersten Corona-Lockdown den Doughnut als Antwort formuliert. Nun wird durch eine breite Bürgerbeteiligung und auf Basis wissenschaftlicher Beratung heraus eine Kreislaufwirtschaft eingeführt, die bis 2030 die Ressourcenströme halbieren wird. Die Regierung in Neuseeland hat ihren Staatshaushalt nach den sozialen und ökologischen Zielen umgebaut. Die schottische Regierungschefin hält international Reden und will ihre Kollegen überzeugen. Das globale Städtebündnis C40 will das Pariser 1,5-Gradziel erreichen und kooperiert auf vielen Ebenen mit WeAll.

WeAll ist ein breites Bündnis mit vielen unterschiedlichen Positionen, aber es wird nicht als Weltformel für die bessere Welt ausdiskutiert, sondern die Ideen wie Doughnut und wie ein sozial-ökologisches Update für unser Wirtschaften gelingen kann, werden angepackt und umgesetzt. Wissenschaftler schreiben Policy-Papiere wie den Leitfaden für sozial-ökologische Unternehmenspraxis. Regionale Bündnis führen die Doughnut Ökonomie in Städten wie Amsterdam, Cambridge oder Berlin ein. Themenspezifische Akteure wie VolleHalle teilen ihre Erfahrungen zum Beispiel aus dem politischen Klimatheater in monatlichen Online-Plena und vernetzen sich themenübergreifend. Einzelpersonen diskutieren weltweit über das „CitizenWeb“, einer eigenen Social-Media-Plattform. Regierungen wie Island oder Schottland teilen ihre Erfahrungen bei WeGov.

Ausblick: Den Reichtum der Welt für ein gutes Leben für alle einrichten

Der Ausbruch aus den sozialen Verarmungsmechanismen und den ökologischen Vernichtungszwängen ist möglich. Wie damals zur Zeit der Industrialisierung in Europa müssen wir nun eine weltweite Antwort auf die soziale und ökologische Doppelfrage finden. Der Konkurrenzzwang zur Profitmaximierung muss durch eine Doughnut-Ökonomie abgelöst werden, wo Marktkonkurrenz nur innerhalb sozialer und ökologischer Wettbewerbsgrenzen stattfinden darf. Mit Bewegungen wie der Wellbeing Economy Alliance ist der notwendige System Change, die Grundpfeiler des Wirtschaftssystems zu ändern, wieder machbar. Die Realisierung der Wellbeing-Ökonomik wäre eine Gesellschaft, die mehr den skandinavischen Ländern gleicht und in der die Klimakatastrophe verhindert wurde. Bis dorthin ist aber noch ein weiter Weg. Der Doughnut kommt zur rechten Zeit als neues Bild, dass viele Menschen überzeugt und motiviert. Eine andere Welt ist machbar. Der Doughnut ist eine gute Alternative.

 

Der Beitrag ist zuerst in EXXECNEWS INSTITUTIONAL ENI 03 erschienen.

Dr. Thomas Dürmeier ist geschäftsführender Vorstand bei der konzernkritischen Nichtregierungsorganisation Goliathwatch e.V. (www.goliathwatch.de) aus Hamburg, plural-kritischer Volkswirt und freiberuflicher Bildungsarbeiter.

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