"Taxonomie ist kein alleiniger Maßstab für Nachhaltigkeit von Fonds"
Investmentfonds, die marktübliche ESG-Anlagestrategien - ESG steht für die Nachhaltigkeitsaspekte Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung) - und Mindestausschlüsse anwenden, erreichen selbst dann bessere Nachhaltigkeitswerte als nicht nachhaltige Vergleichsportfolios, wenn der Anteil der Taxonomie-konformen Aktivitäten im Fondsportfolio gering ist. Der Taxonomie-Anteil ist deshalb kein alleiniger Maßstab für die Nachhaltigkeit eines Fonds. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des deutschen Fondsverbands BVI auf Basis einer Portfolio-Simulation.
Laut der BVI-Analyse wird die Taxonomie-Quote selbst in nachhaltigen Fonds im Sinne der seit Anfang März 2021 geltenden EU-Offenlegungsverordnung vorerst nur im einstelligen Prozentbereich liegen, sofern das Portfolio ausreichend diversifiziert sein soll. Grund dafür sei, dass die Taxonomie noch am Anfang steht. Bisher sind erst für zwei der insgesamt sechs Umweltziele der Taxonomie entsprechende nachhaltige Aktivitäten und technische Kriterien definiert. Auch die geplanten sozialen Nachhaltigkeitsziele fehlen noch. Voraussetzung für höhere Taxonomie-Anteile in den nachhaltigen Fondsportfolien sei daher die Weiterentwicklung der technischen Kriterien der Taxonomie.
Eine weitere Ursache für geringe Taxonomie-Anteile im Musterportfolio könnte laut der Analyse die eingeschränkte Verfügbarkeit von ESG-Daten der Unternehmen sein. Um die Übereinstimmung der Aktivitäten von Portfoliounternehmen mit der Taxonomie prüfen und veröffentlichen zu können, brauchen Fondsmanager detaillierte Daten zu anteiligen Umsätzen, Investitionsausgaben (Capex) und Betriebsausgaben (Opex). Während sich der Markt bei den Umsätzen mit Schätzungen behelfen kann, sind zu Capex und Opex selbst dafür zu wenige Daten verfügbar. Darüber hinaus gebe es noch erhebliche Datenlücken zu Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU, beispielsweise aus den USA und China. Diese Lücken sollen zumindest teilweise durch die neue EU-Richtlinie zur nichtfinanziellen Berichterstattung (CSRD) geschlossen werden. Im weltweiten Maßstab bleibe die Beschaffung vergleichbarer und belastbarer ESG-Daten aber ein Problem. Der BVI setzt sich schon seit längerem für eine verbesserte Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen ein und fordert einen einheitlichen EU-Datenzugang (European Single Access Point, ESAP).
„Die Ergebnisse unserer Analyse machen deutlich, dass die Nachhaltigkeit von Fondsportfolios nicht nur anhand der EU-Taxonomie zu bewerten ist“, sagt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. „Vertrieb und Anleger brauchen einen alltagstauglichen Standard für die Auswahl nachhaltiger Fonds. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit unseren Vertriebspartnern an einem Zielmarktkonzept für nachhaltige Finanzanlagen, das sich an den MiFID II-Kriterien für Nachhaltigkeitspräferenzen und weiteren EU-Vorgaben orientieren wird.“ Im Gegensatz zu den kürzlich von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (BaFin) vorgeschlagenen Leitlinien für nachhaltige Investmentvermögen könne damit dem sogenannten „Grünwaschen“ vorgebeugt werden, ohne den Standort Deutschland durch realitätsferne Vorgaben für nachhaltige Fonds unattraktiv zu machen, so Richter. (DFPA/JF1)
Quelle: Pressemitteilung BVI
Der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main ist Repräsentant der Investmentbranche in Deutschland. Die 98 Mitglieder des 1970 gegründeten Verbands verwalten über drei Billionen Euro in Publikumsfonds, Spezialfonds und Vermögensverwaltungsmandaten.