Analyse: Der weltweite IPO-Markt tritt auf der Stelle
Weltweit bleiben Unternehmen bei Börsengängen zurückhaltend: Insgesamt wagten im zweiten Quartal weltweit 310 Unternehmen den Sprung aufs Parkett – drei Prozent weniger als im ebenfalls eher schwachen Vorjahresquartal. Auch das Emissionsvolumen schrumpfte weiter: um fünf Prozent auf 39,0 Milliarden US-Dollar. Das sind Ergebnisse des „IPO-Barometers“ des Prüfungs- und Beratungsunternehmens EY.
Dabei war die Entwicklung in den großen Regionen sehr unterschiedlich: So ging es in China bei der Zahl der IPOs um 28 Prozent und beim Emissionsvolumen um zehn Prozent aufwärts, während in Europa weniger Unternehmen den Schritt an die Börse wagten: Die Zahl der IPOs sank um 27 Prozent auf 33. Das Emissionsvolumen kletterte aber um 58 Prozent auf 2,7 Milliarden US-Dollar. In Deutschland gab es keine Börsenneulinge im zweiten Quartal. Auch in den USA wurden zwar Zuwächse erzielt – um 15 Prozent bei der Zahl der Börsengänge und sogar um 167 Prozent beim Emissionsvolumen. Mit 31 Börsengängen, die zusammen 6,3 Milliarden US-Dollar einbrachten, blieben die IPO-Aktivitäten aber auf einem im Langzeitvergleich relativ niedrigen Niveau. Vom weltweiten Emissionsvolumen von 39 Milliarden US-Dollar entfielen zehn Milliarden auf Technologieunternehmen. Zudem waren drei der fünf größten Börsengänge des zweiten Quartals Tech-IPOs: die beiden chinesischen Halbleiterhersteller Nexchip Semiconductor und SMEC erlösten 1,9 beziehungsweise 1,8 Milliarden US-Dollar, und der chinesische Solarmodulhersteller CSI Solar erzielte knapp eine Milliarde US-Dollar. Der größte Börsengang des Quartals fand aber in den USA statt: Die Consumer Health-Sparte des Pharmakonzerns Johnson & Johnson erzielte bei ihrem IPO unter dem Namen Kenvue ein Emissionsvolumen von 4,4 Milliarden US-Dollar.
„Weltweit ist der Markt für Börsengänge aufgrund der geopolitischen Spannungen und der Zinswende weiterhin geprägt von Vorsicht“, beobachtet Dr. Martin Steinbach, Partner und Leiter des Bereichs IPO and Listing Services bei EY. „Viele Unternehmen verharren in der Warteposition und hoffen auf ein besseres Investorensentiment und eine höhere Marktliquidität.“ Aber es sei dennoch Bewegung im Markt, so Steinbach: „Die Volatilität ist gesunken und das Kursniveau an den Weltbörsen ist relativ hoch.“ Allerdings seien Investoren aufgrund der Zinserhöhungen bei der Auswahl ihrer Anlageziele selektiver geworden: „Wir haben einen Käufermarkt. Da ist es für Börsenkandidaten umso wichtiger, eine qualitativ hochwertige Equity Story bieten zu können und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells sowie eine gute Corporate Governance demonstrieren zu können.“ Bremsend wirke sich hingegen die konjunkturelle Unsicherheit aus, so Steinbach. Diese führe dazu, dass der IPO-Markt gerade keine klare Richtung finde, was sich auch daran zeige, dass die Zahlen weitgehend auf Vorjahresniveau liegen, so Steinbach. Der europäische IPO-Markt könne sich wieder erholen, wenn, die dringend benötigte Liquidität wiederhergestellt werde. Aber: „Die Anleger werden weiterhin selektiv vorgehen und sich auf Unternehmen mit soliden Fundamentaldaten und einer nachgewiesenen Erfolgsbilanz konzentrieren. Zu den Sektoren, die bei Investoren auf Interesse stoßen, gehören Technologie sowie Unternehmen mit ESG-bezogenen Geschäftsmodellen.“ Zudem rechnet Steinbach nach dem Kenvue-Börsendebut im Jahresverlauf mit weiteren großen Unternehmensabspaltungen und Carve-Out-Börsengängen und einer höheren IPO-Aktivität im zweiten Halbjahr.
Weltweit wurden im ersten Quartal 13 SPACs mit einem Volumen von insgesamt 1,6 Milliarden US-Dollar neu emittiert. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das Emissionsvolumen damit um 52 Prozent geschrumpft, die Zahl der SPAC-Emissionen ging um 64 Prozent zurück. (DFPA/mb1)
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