"ESG: Gesundes Risikomanagement oder grüne Blase?"
„Mit großem Erstaunen nehmen wir zur Kenntnis, wie sich die USA in Bezug auf Anlagen im Zusammenhang mit den Aspekten Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in politischen Debatten verheddern“, so schreibt Lloyd McAllister, Head of Sustainable Investment bei dem Vermögensverwalter Carmignac, in einem Kommentar.
Der anhaltende Konflikt um die Gesetzesänderung des Department of Labor (DoL), bei dem polarisierte Politiker darüber diskutieren, ob es für Fondsmanager akzeptabel ist, bei ihren Anlageentscheidungen finanziell wesentliche ESG-Aspekte zu berücksichtigen, stehe sinnbildlich hierfür. „Stellen Sie sich vor, sie wären Fondsmanager und sitzen einem Rentner gegenüber, der sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat, um Geld zurückzulegen. Nun müssten Sie diesem mitteilen, dass Sie einen Teil seines Kapitals verloren haben, weil Sie laut Gesetz dazu verpflichtet sind, die folgenden Punkte bei ihrem Anlageentscheidungsprozess außen vor zu lassen: die potenziellen Auswirkungen von sich verändernden Umweltvorschriften auf die Unternehmensumsätze, die potenziellen Auswirkungen einer niedrigen Kundenzufriedenheit auf die Umsätze, die potenziellen Auswirkungen einer niedrigen Mitarbeiterzufriedenheit auf die Talentbindung, die Produktivität und das Risiko von Streiks, die potenziellen Auswirkungen von nicht geschäftsführenden Verwaltungsratsmitgliedern, die die Geschäftsführung nicht zur Rechenschaft ziehen“, so McAllister.
Natürlich lasse sich nicht immer objektiv feststellen, inwieweit ein ESG-Thema finanziell wesentlich ist. Die Frage, inwieweit sich eine Währungsabwertung, ein Konjunkturzyklus oder ein Liquiditätsproblem erheblich auf den Kurs eines Wertpapiers auswirken wird, beinhalte jedoch ebenfalls ein gewisses Maß an Subjektivität. So entstehe ein Markt – durch unterschiedliche konkurrierende Einschätzungen und Interessen. Eine detaillierte weltweite Studie in Bezug auf Vermögenswerte im Umfang von 31 Billionen US-Dollar ergab, dass 82 Prozent der Anlageverwalter in ihrem Anlageprozess ESG-Informationen verwenden. Die meisten von ihnen möchten auf diese Weise die Performance steigern oder Kundeninteressen bedienen. Es gebe allerdings auch begründete Bedenken, dass das Konzept ESG für grüne Bewertungsblasen sorge. Denn das Interesse der Investoren an ESG steige, die staatliche Regulierung in ESG-Fragen nehme zu (ein Beispiel hierfür ist die EU-Offenlegungsverordnung) und die Innovationen im Bereich saubere Technologien seien schnelllebig und damit für einen wachstumsorientierten Anlagestil attraktiv. Der entscheidende Punkt dieser Bedenken sei, dass sich eine Welle von „ESG-Geld“ über eine kleine Zahl von Titeln ergießt, die als „ESG-Werte“ betrachtet werden. Selbst die Bank für internationalen Zahlungsausgleich – sozusagen die Zentralbank der Zentralbanken – gab im September 2021 bekannt: „ESG-Titel könnten überbewertet sein“. Die Analyse der Kurs-Gewinn- und Kurs-Buchwert-Verhältnisse stütze die Annahme einer grünen Blase jedoch nicht. So liege das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) des MSCI ACWI ebenso wie das der besten ESG-Aktien bei 355. Bei ESG-Titeln mit niedrigerer Bewertung beträgt das durchschnittliche KGV 42, was auf höhere Marktpreise für Werte mit schlechter ESG-Performance hindeute.
„Angesichts dieser unterschiedlichen Bewertungsmerkmale sind wir nicht von der Existenz einer grünen Blase überzeugt. Bestimmungen wie die EU-Offenlegungsverordnung und das zunehmende Kundeninteresse an ESG könnten theoretisch zu einer steigenden Nachfrage nach hierauf ausgerichteten Wertpapieren führen. Die Vorschriften sind jedoch so weit gefasst und die Kundeninteressen im ESG-Bereich so vielfältig, dass derzeit aller Wahrscheinlichkeit nach keine Konzentration bis hin zur Blasenbildung zu befürchten ist. Da die Bedenken allerdings nicht völlig ungerechtfertigt sind, sollte dieser Aspekt fortlaufend im Auge behalten werden“, so McAllister. (DFPA/mb1)
Der unabhängige Vermögensverwalter Carmignac Gestion S.A. wurde 1989 von Edouard Carmignac und Eric Helderlé gegründet. Das Kapital der Gesellschaft mit Sitz in Paris wird vollständig von der Geschäftsleitung und den 308 Mitarbeitern gehalten.