Merck Finck "Blitzlicht": "Geringes Risiko einer erneuten Gas-Krise im nächsten Winter"
Entgegen allen Befürchtungen ist es im vergangenen Jahr in Deutschland gelungen, Engpässe in der Gasversorgung zu vermeiden. Nicht zuletzt durch den teils drastischen Preisanstieg, aber auch begünstigt vom milden Winter, reduzierte sich die Gasnachfrage in Europa gegenüber dem Jahr 2021 um elf Prozent. Robert Greil, Chefstratege bei der Privatbank „Merck Finck“, stellt im aktuellen Marktkommentar „Blitzlicht“ die Frage, ob es auch dieses Jahr gelingt, die Gasversorgung durchgehend sicherzustellen?
Laut Greil scheint nachfrageseitig die Industrie nach ihren Einsparungen im Vorjahr, abgesehen von Effekten der laufenden Konjunkturabschwächung, an Grenzen zu stoßen: Laut der „McKinsey Energy Insights European Gas Buyers Survey“ sagen 57 Prozent des verarbeitenden deutschen Gewerbes, dass sie nicht in der Lage sein würden, den Gasverbrauch weiter zu senken und gleichzeitig die Produktion in den nächsten zwei Jahren aufrechtzuerhalten.
Trotzdem glauben Greil und sein Team, dass es gute Gründe dafür gibt, dem nächsten Winter entspannt entgegenzusehen. Zum einen dürfte das gelernte Sparverhalten gerade auch auf Seiten der privaten Haushalte weitgehend anhalten. Zum anderen erscheinen auf Basis der heute in Deutschland zu 84 Prozent gefüllten Gasspeicher (2022 waren es zu dieser Zeit erst 65 Prozent) weitgehend volle Gasspeicher bis zum Anfang der kalten Jahreszeit realistisch. Und schließlich konnten die aus Russland ausgefallenen Gasmengen primär durch Gasimporte – allen voran aus Norwegen, Algerien, Großbritannien, Belgien und den Niederlanden – sowie durch Flüssiggaslieferungen insbesondere aus den USA gut ausgeglichen werden.
Zwar könne ein erneut stärkerer Anstieg des sehr volatilen europäischen Gas-Benchmarkpreises TTF (in der Spitze im Sommer 2022 über 300 Euro pro Megawattstunde und heute wieder deutlich unter 30 Euro pro Megawattstunde) nicht ausgeschlossen werden, allerdings sollten die Schwankungen wesentlich geringer ausfallen.
Unter dem Strich gebe es damit heute keinen Grund für eine erneute „Gaspreispanik“ oder Ähnliches – allerdings sollte die Entwicklung genau beobachtet werden, meint der Experte. Denn selbst wenn es gelingen sollte, die Gasnachfrage noch einmal etwas zu reduzieren, werde das Gleichgewicht am Markt auch von Faktoren wie dem Wetter oder der Stabilität der LNG-Importe abhängen. Ein besonders kalter Winter bleibe – gerade wenn die Gasspeicher dann geringer als heute zu erwarten gefüllt sein sollten – ein Risiko. Und die Versorgung mit Flüssiggas hänge auch davon ab, wie sich die Nachfrage in Asien entwickeln wird. Deshalb gelte es, den Gasmarkt genau im Auge zu behalten. (DFPA/JF1)
Merck Finck begleitet Vermögen von Privatkunden, mittelständischen Unternehmen sowie Institutionen wie Kirchen und Stiftungen. Von 13 Standorten aus werden unter anderem Private Banking- und Vermögensverwaltungsdienstleistungen angeboten. Merck Finck ist Teil der Quintet Private Bank, die mit örtlichen Banken an 45 Standorten in sechs europäischen Ländern vertreten ist.