"Risikoaverse Investoren zeigen deutliche Zurückhaltung bei Pflegeheiminvestments"
Im ersten Halbjahr 2023 wurden in Deutschland Gesundheitsimmobilien für 723 Millionen Euro gehandelt. Damit lag das Transaktionsvolumen 51 Prozent niedriger als im ersten Halbjahr 2022. Laut dem international tätigen Immobiliendienstleister Savills war es zugleich das niedrigste Halbjahresvolumen seit dem zweiten Halbjahr 2017 (604 Millionen Euro). Sowohl das Volumen als auch die Zahl der Transaktionen gingen im zweiten Quartal gegenüber dem Vorquartal zurück.
Im traditionell größten und liquidesten Segment der Gesundheitsimmobilien, den Pflegeheimen, haben sich die schon länger anbahnenden Herausforderungen am Nutzermarkt zuletzt manifestiert. Laut Matti Schenk, Associate Director Research bei Savills Germany, gab es seit Jahresanfang fünf Großinsolvenzen und Schutzschirmverfahren von Pflegeheimbetreibern. Hinzu kommen noch diverse kleinere Insolvenzen oder bereits geschlossene Pflegeeinrichtungen. Als Gründe nennt Schenk gestiegene Energie- und Verbrauchsgüterkosten, aber auch höhere Pachtzahlungen aufgrund von Indexierungsklauseln. Außerdem steigen nach einhelliger Meinung der Pflegeheimbetreiber beispielsweise die Investitionskostensätze viel zu gering, um einen wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeeinrichtungen dauerhaft zu finanzieren. Darüber hinaus dürfen durch Personalengpässe entweder nicht alle Plätze belegt werden. Dadurch gehen den Betreibern Einnahmen verloren oder es muss auf teures Leasingpersonal zurückgegriffen werden. Zwar trat Anfang Juli die neue Pflegereform in Kraft, die pro Jahr 6,6 Milliarden Euro zusätzlich für die Pflege mobilisieren soll, gleichzeitig streicht der Bund jedoch seinen Zuschuss zur Pflegeversicherung. „Das Damoklesschwert der Betreiberinsolvenzen dürften daher auch weiter über dem Sektor schweben“, so Schenk.
Weil die strukturellen Probleme beim wirtschaftlichen Betrieb von Pflegeheimen die langfristigen Wachstumsperspektiven des Sektors überstrahlen, beobachtet Savills insbesondere bei risikoaversen Investoren eine deutliche Zurückhaltung bei weiteren Pflegeheiminvestments. So entfielen auf Pflegeheime 39 Prozent des Transaktionsvolumens (Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre: 57 Prozent). Immer mehr an Bedeutung gewinnen stattdessen Ärztehäuser und Wohnanlagen des Betreuten Wohnens. Etwa 26 Prozent des Volumens im ersten Halbjahr 2023 entfielen auf Wohnanlagen des Betreuten Wohnen und weitere 19 Prozent auf Ärztehäuser und Medizinische Versorgungszentren.
Grundsätzlich stehen Gesundheitsimmobilien laut Savills weiter auf dem Zettel vieler Investoren. Nichtsdestotrotz halten sich viele Investoren derzeit mit Ankäufen zurück und warten die weitere Marktentwicklung ab. So trat im ersten Halbjahr keiner der zehn größten Investoren von Gesundheitsimmobilien der vergangenen fünf Jahre (gemessen am Ankaufsvolumen) als Käufer in Erscheinung. Käufer aus Deutschland dominierten mit einem Volumenanteil von 89 Prozent das Geschehen im ersten Halbjahr. Im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre entfielen auf sie rund 52 Prozent des Volumens.
Zum rückläufigen Transaktionsvolumen tragen auch die gestiegenen Anfangsrenditen bei. Die Spitzenrendite für Pflegeheime taxiert Savills zum Ende des ersten Halbjahres auf 4,9 Prozent. Damit stieg die Spitzenrendite auf Jahressicht um 100 Basispunkte an und liegt in etwa auf dem Niveau des Jahres 2018. Savills rechnet damit, dass die Renditen für Bestandsobjekte mit schlechtem Gebäudestandard oder kriselndem Betreiber im weiteren Jahresverlauf weiter nach oben gehen.
Angesichts der gestiegenen Anfangsrenditen dürften laut Savills einige Investoren wieder vermehrt Ankäufe prüfen. Der Immobiliendienstleister erwartet in der zweiten Jahreshälfte eine steigende Zahl an Transaktionen, geht jedoch insgesamt von einer weiterhin recht verhaltenen Transaktionsaktivität aus. (DFPA/JF1)
Savills plc ist ein weltweit tätiges Immobilien-Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in London. Tätigkeitsschwerpunkte sind Beratungs-, Management- und Transaktionsdienstleistungen. Das 1855 gegründete Unternehmen beschäftigt über 40.000 Mitarbeiter weltweit.