Ernst Russ: Containerschifffahrt könnte schlimmste Phase überwunden haben
Die Covid-19-Pandemie hat den internationalen Welthandel mit voller Wucht getroffen. Doch die Aussichten für die kommenden Monate sind nach Meinung des Hamburger Asset- und Investment-Managers Ernst Russ gar nicht so schlecht. Denn die von den Regierungen beschlossenen hohen staatlichen Ausgaben sollten eine deutlich stabilisierende Wirkung auf den Handel entfalten. „Mit einer Rückkehr des Seeverkehrs auf ein ,normales´ Niveau könnte bereits im vierten Quartal zu rechnen sein. Damit hätte die Krise noch einen glimpflichen Ausgang genommen: Die Pandemie hätte die Schifffahrt nur um ein Jahr zurückgeworfen“, schreibt Ernst Russ in seinem „Schifffahrtsmarkt-Kommentar Q2/2020“.
Infolge drastischer Kapazitätsreduzierungen in den Linienverkehren gab die Tonnagenachfrage am Chartermarkt im zweiten Quartal 2020 massiv nach. Ein hoher Anteil von wöchentlichen Abfahrten wurde angesichts fehlender Ladungsmengen ersatzlos gestrichen - in einigen Trades fiel zeitweise mehr als 50 Prozent der regulären Stellplatzkapazität weg. 11,6 Prozent der Flottenkapazität in der Containerschifffahrt sind aktuell außer Dienst. Das Kapazitätsmanagement der Containerlinien erweist sich dabei laut Ernst Russ als absolut effektiv: Die Frachtraten pro Box sind stabil geblieben und ziehen aktuell sogar spürbar an, vor allem im Transpazifikverkehr. Die „Backhaul“-Raten für Exportladung Richtung China befinden sich auf dem höchsten Stand seit Jahren.
Leidtragende des Kapazitätsmanagements sind die Trampreedereien, die seit April mit geballten Rücklieferungen von Charterschiffen konfrontiert sind. Weit über 200 Schiffe über alle Größenklassen hinweg sind auf Spot-Basis verfügbar. Der Konkurrenzkampf um Beschäftigung ist intensiv und hat in den vergangenen Wochen zu einem rapiden Verfall von Zeitcharterraten und Zeitcharterkonditionen geführt.
Seit Ende Mai gibt es allerdings erste positive Anzeichen, so Ernst Russ. „ Die Zahl der Charterabschlüsse pro Woche nimmt wieder deutlich zu, in der Folge geht die Spotverfügbarkeit von Schiffen in einigen Segmenten (Panamax, 1.500 bis 1.999 TEU) zurück. Die wieder anziehende Charteraktivität lässt auf eine Erholung der Ladungsverkehre schließen, nachdem die Volkswirtschaften Asiens und Europas wieder hochfahren. Auch in Nordamerika nimmt die wirtschaftliche Aktivität wieder zu. Bis zur Vollbeschäftigung der Containerschiffsflotte ist es gewiss noch ein längerer Weg. Dennoch macht sich am Markt inzwischen vorsichtiger Optimismus breit, dass die schlimmste Phase überwunden ist. Wenn der Höhepunkt der Auflieger- Tonnage überschritten wurde und die Zahl der Spotschiffe weiter zurückgeht, dürfte auch der Druck auf die Charterraten langsam nachlassen“, heißt im es Schifffahrtsmarktbericht. (DFPA/TH1)
Quelle: Schifffahrtsmarkt-Kommentar Ernst Russ
Die Ernst Russ-Gruppe ist ein börsengehandelter Asset‐ und Investment-Manager mit Schwerpunkt auf der Assetklasse Schiff. Aktuell betreut die Ernst Russ Gruppe eine Flotte von 80 Container-, Tank-, Bulk- und sonstigen Schiffen. Ferner werden 40 Immobilien an 28 Standorten betreut.