Ein Bürokratie-Hit? BIB, das Basisinformationsblatt
Basisinformationsblätter – kurz BIB – über Kapitalanlagen sind Standard und neben dem Verkaufsprospekt zwingend vorgeschrieben. Kurz und knapp und in einfacher, verständlicher Sprache sollen sie dem Anlegerschutz dienen. Ob sie diesem Anspruch gerecht werden, darüber bestehen Zweifel, wie eine EXXECNEWS-Umfrage zeigt. Besonders die Renditeprognosen werden dabei kritisch gesehen.
„Es wird keinen noch so gebildeten Verbraucher geben, der das versteht.“ Ein vernichtendes Urteil des Anlagevertriebs. Gemeint ist das Basisinformationsblatt – kurz BIB. Es soll dem Anlegerschutz dienen, lässt aber die wichtigsten Fragen offen.
Seit über einem Jahr sind Anbieter von alternativen Investmentfonds (AIF) und anderer „verpackter Anlageprodukte“ nach einer Verordnung der Europäischen Union über „packaged retail and insurance-based investment products“ – kurz: PRIIP – verpflichtet, Retail-Anlegern oder semiprofessionellen Investoren ein „Basisinformationsblatt“ (BIB) über die jeweilige Anlage zur Verfügung zu stellen. Es soll der Verbesserung der Transparenz dienen, gerade bei Anlageprodukten, die komplex sind und für Retail-Anleger schwer zu verstehen sein könnten. Es „muss präzise, redlich und klar sein und darf nicht irreführend sein“, so die Verordnung. Im Gegensatz zu den Verkaufsprospekten mit einem Umfang von oft über 100 Seiten darf das Basisinformationsblatt nicht mehr als drei Seiten umfassen.
Auch der Inhalt des BIB ist vorgeschrieben, teilweise mit konkretem Wortlaut. Zentral sind nach Artikel 8 der Verordnung die „kurze Beschreibung des Risiko-/Renditeprofils“ sowie „geeignete Performanceszenarien und die ihnen zugrunde liegenden Annahmen“ anzugeben. Minutiös wird in der 52-seitigen Delegierten Verordnung 2017/653 der Inhalt des dreiseitigen Basisinformationsblattes geregelt - mit ausführlichem Muster, an das sich alle Anbieter von AIF auch halten.
Entsprechend sind AIF auf einer Risikoklassen-Skala von „1“ bis „7“ einheitlich in die Risikoklasse „6“ eingeordnet. Die Begründungen in den verschiedenen Basisinforma-tionsblättern ähneln sich: „Der Gesamtrisikoindikator hilft Ihnen, das mit diesem Produkt verbundene Risiko im Vergleich zu anderen Produkten einzuschätzen. Er zeigt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Sie bei diesem Produkt Geld verlieren, weil sich die Märkte in einer bestimmten Weise entwickeln oder wir nicht in der Lage sind, Sie auszubezahlen. Wir haben dieses Produkt auf einer Skala von 1 bis 7 in die Risikoklasse 6 eingestuft, wobei 6 der zweithöchsten Risikoklasse entspricht. Diese dargestellte Risikoklasse soll den unternehmerischen Charakter der Beteiligung widerspiegeln.“
Dass voll regulierte AIF, die zu einem Großteil in langfristig vermietete Bestandsimmobilien investieren, in die zweihöchste Risikoklasse eingeordnet werden, verwundert – zurückhaltend ausgedrückt. Irritiert zeigt sich Bernhard Stern, geschäftsführender Gesellschafter der Stern Capital GmbH aus Villingen-Schwenningen: „Es wird keinen noch so gebildeten Verbraucher geben, der versteht, dass ein offener Publikums-AIF in den Risikoklassen 1 oder 2 angesiedelt ist und ein geschlossener Publikums-AIF in der Risikoklasse 6 untergebracht werden muss. Unabhängig davon, ob es sich um einen Bestandshaltungsfonds in deutschen Wohnimmobilien oder um einen deutlich riskanteren Projektentwicklungsfonds handelt.“
Gefolgt wird die Risikodarstellung mit den Angaben über die mögliche Entwicklung der Anlage, über die geforderten Performanceszenarien. Die Delegierte Verordnung sieht vier Szenarien vor – ein pessimistisches, ein mittleres, ein optimistisches Szenario und ein „Stressszenario“. Anzugeben sind auch die „zugrunde liegenden Annahmen“. Die sind aber in den aktuellen und durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) genehmigten Basisinformationsblätter äußerst spärlich gesät. So heißt es dort etwa: „Die dargestellten Szenarien beruhen auf Ergebnissen aus der Vergangenheit und bestimmten Annahmen. Die Märkte könnten sich künftig völlig anders entwickeln.“ Oder: „Die künftige Marktentwicklung ist ungewiss und lässt sich nicht mit Bestimmtheit vorhersagen. Die dargestellten Szenarien beruhen auf Ergebnissen aus der Vergangenheit und bestimmten Annahmen. Die Märkte könnten sich künftig völlig anders entwickeln.“
Welche Annahmen die unterschiedlichen Szenarien bestimmen, bleibt unklar. Wird beispielsweise für künftige Mietsteigerungen und einen erwarteten Verkaufserlös die Inflationsrate und wenn in welcher Höhe zugrunde gelegt? Venessa Meinker, Geschäftsführerin der Kapitalverwaltungsgesellschaft Dr. Peters Asset Finance GmbH & Co. KG, Dortmund, verdeutlicht für ihren AIF „Immobilienwerte II Aschaffenburg“: „Das Stressszenario zeigt, was beispielsweise zurückfließt, wenn ab dem Jahr 2032 – entsprechend für die letzten sieben Jahre der planmäßigen Fondslaufzeit-Auszahlungen an die Anleger wegfallen und die Immobilie mit einem 70 Prozent niedrigeren Veräußerungsergebnis für die Anleger im Vergleich zum mittleren Szenario verkauft wird. Die Abweichungen der weiteren im BIB enthaltenen Szenarien im Vergleich zum mittleren Szenario liegen in einem 15 Prozent niedrigeren (pessimistisch) beziehungsweise 15 Prozent höheren (optimistisch) Veräußerungsergebnis für die Anleger.“
„Es ist korrekt anzumerken, dass das Basisinformationsblatt (BIB) allein nicht alle Parameterveränderungen offenlegt, die zu den unterschiedlichen Szenarien führen. Zur umfassenden Information der Anleger ergänzen wir unsere Darstellung mit zusätzlichen Informationen außerhalb des BIBs, um ein fundiertes Urteil zu ermöglichen“, erläutert Thorsten Eitle, Vorstand der HEP Kapitalverwaltung AG, Güglingen.
Über die verschiedenen AIF hinweg sind die in den Szenarien dargestellten durchschnittlichen Jahresrenditen ohnehin nicht vergleichbar, da jeder AIF die Berechnungen auf seiner eigenen Mindestlaufzeit aufbaut. Dadurch zeigen kurzlaufende AIF grundsätzlich höhere durchschnittliche Jahresrenditen als langlaufende. „Laut der PRIIP-Verordnung müssen wir zur Darstellung der Szenarien auf keine bestimmte Herleitung zurückgreifen. Dies bedeutet, dass die Szenarien, die in den Basisinformationsblättern dargestellt werden, nicht an eine bestimmte Methodik gebunden sind. Diese individuellen Blätter können in Struktur, Inhalt und Darstellung variieren, was die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Produkten erschweren kann“, meint Eitle.
Verhalten urteilt auch Kristina Mentzel, Leiterin Vertrieb, Marketing und Produktstrategie bei der WealthCap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, Grünwald: „Das BIB ist unseres Erachtens nur bedingt für einen Vergleich von Fondsprodukten geeignet. Die getroffenen Annahmen in den Szenarien sind zum Beispiel nicht standardisiert, jeder Emittent kann seine eigenen Annahmen treffen. Somit wird das Ziel einer objektiven Vergleichbarkeit der Produkte verfehlt. Zudem wird auch bei den Szenarien nicht unterschieden, wie lange das Kapital gebunden ist (im Vergleich zu einer IRR-Betrachtung) und spiegelt demnach auch nicht die Realität wider, was insbesondere bei Private Equity Fonds mit einer unterschiedlichen Investmentstrategie (Kapitalabrufe versus Einmaleinzahlung) ein falsches Ergebnis liefern kann.“
Auf die eingeschränkte Vergleichbarkeit weist auch Fabian Schindler, Geschäftsführer der Jamestown US-Immobilien GmbH, Köln, hin: „Da es jedoch keine Regelung über die anzupassenden Parameter und auch keine Verpflichtung zur Offenlegung der Szenarioparameter gibt, ist die Vergleichbarkeit verschiedener Angebote stark eingeschränkt. Daher sollten Anleger die jeweiligen Produkte auf Grundlage der jeweiligen Eigenschaften und Investitionsstrategien sowie des Risiko-Rendite-Profils individuell bewerten.“
Die Renditeangaben können zu falschen Schlüssen führen, meint Stern: „Beispielsweise weist ein in Risikoklasse 6 eingestufter Fonds im pessimistischen Szenario einen Ertrag von über einem Prozent pro Jahr aus, während der in Risikoklasse 1 eingestufte Fonds derselben Assetklasse im pessimistischen Szenario einen Verlust von minus 0,5 Prozent ausweist. Klingt, als ob man im sichereren Fonds eher Geld verliert als im vermeintlich riskanteren Fonds. Dies einem Verbraucher zu erklären, ist eine kaum zu bewältigende Aufgabe.“
Die möglichen Renditen werden in den unterschiedlichen Szenarien der Basisinformationsblättern bis auf die zweite Kommastelle kalkuliert und suggerieren damit eine gewisse Planungssicherheit. Es sollte aber nicht verkannt werden, dass es sich dabei letztlich nur um Prognosen, um wahrscheinliche Ergebnisse handelt. „Wir halten die Aussagekraft dieser Angaben in den BIB nur für bedingt brauchbar“, meint Volker Arndt, geschäftsführender Gesellschafter der US Treuhand, Frankfurt am Main: „Bei den jährlichen Durchschnittsrenditen handelt es sich um eine Prognose. Dies sollte durchaus auch so benannt werden. Die tatsächliche Rendite wird man erst mit Auflösung der genannten Fonds erfahren.“
Positiver beurteilt Meinker die Angabe der verschiedenen Szenarien: „Bei unternehmerischen Beteiligungen beziehungsweise Anlageprodukten wie einem geschlossenen Immobilien-AIF erachten wir die Darstellung verschiedener Szenarien gegenüber potenziellen Anlegern als transparent. Zum einen, da bei Produkten mit langen Laufzeiten mit abweichenden Ergebnissen zu rechnen ist, zum anderen da beispielsweise bei dem im BIB geforderten Stressszenario durch eine Negativrendite das Kapitalverlustrisiko dargestellt werden kann.“ Ebenso auch Spindler: „Grundsätzlich halten wir die Darstellung verschiedener Performance-Szenarien für einen sinnvollen Bestandteil der Informations- und Entscheidungsgrundlage für Anleger. Sie verdeutlichen das Potenzial des Anlageproduktes und weisen, insbesondere durch die Aufnahme des Stressszenarios, auch auf mögliche Risiken hin.“
„Leider sind die Renditeangaben untereinander nicht vergleichbar, daher nutzen wir sie bei der Auswahl der Produkte eher weniger“, meint Helmut Schulz-Jodexnis, Leiter des Produktbereichs Sachwerte und Immobilien bei Jung, DMS & Cie, München, sieht aber die Angaben im Basisinformationsblatt durchaus positiv: „Diese Darstellungen sind sehr sinnvoll, um in einer Bandbreite beraten zu können. Die Informationen sind hilfreich, weil man dem Interessenten ein Gefühl für die Ergebnisse geben kann.“
„Wir halten die Darstellung der verschiedenen Szenarien für nicht sehr sinnvoll, da die Art der Berechnung die AIF-spezifischen Zahlungsströme nicht realitätsgetreu abbildet. Das schafft nur der sogenannte interne Zinsfuß. Dabei wird die Kapitalbindung ebenso wie die Effizienz des Kapitalmanagements eines AIF realitätsgetreu abgebildet“, meint Felix Knaak, Referent Vertriebsrecht und Produktmanager Geschlossene Beteiligungen und Kapitalanlagen Plansecur Service GmbH & Co. KG, Kassel. Sie wären für Anleger eher verwirrend.
„Die Darstellung verschiedener Szenarien sollte für Anleger eher hilfreich sein, da damit verdeutlicht wird, dass es sich hierbei um eine unternehmerisch geprägte Investition handelt und eben nicht um eine festverzinsliche Anlage“, meint dagegen Ralph Heller, geschäftsführender Gesellschafter der HW HanseInvest, Fürth: „Wir halten sie für sehr sinnvoll und wir haben darauf auch schon in der Vergangenheit bei unseren Produktplausibilitätsprüfungen stets großen Wert gelegt.“
Fazit: Nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers sollen mit den Basisinformationsblättern mehr Transparenz und mehr Anlegerfreundlichkeit geschaffen werden. Da sie rechtlich erforderlich sind, werden sie von Emittenten und Vertrieb auch beachtet. Über ihren Nutzen und ihre Aussagekraft gibt es völlig unterschiedliche Meinungen. Letztlich lassen sie nur den Dokumentations-Ordner einer Kapitalanlage um drei Seiten anschwellen. Entscheidend bleibt bei einem Investment das Vertrauen des Anlegers in seinen Berater und die Performance des Emittenten. (LJH)