Brexit – Britische Versicherer stärker betroffen als deutsche
Erteilt ein EU-Staat einem Versicherer die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb, gilt die Erlaubnis in allen EU-Staaten. Man spricht deshalb vom „Europäischen Pass“ oder dem Single-Liscence-Prinzip. Durch einen Brexit würden diese wechselseitigen Passporting-Rechte wegfallen. Auf deutscher Seite wären vergleichsweise wenige Versicherer vom Verlust des Passes für Großbritannien berührt; das betroffene Prämienvolumen wäre gering. In Großbritannien dagegen wäre eine viel höhere Zahl von Versichern betroffen. Mit diesem Thema beschäftigt sich die neue Ausgabe der volkswirtschaftlichen Analysereihe „Makro und Märkte kompakt“ des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Während das grenzüberschreitende Geschäft mit Frankreich oder Italien überwiegend über inländische Tochterunternehmen abgewickelt wird, nutzen die Versicherer für das grenzüberschreitende Geschäft zwischen Großbritannien und Deutschland in starkem Maße die Möglichkeiten des europäischen Passes, so der GDV. Dabei zeige sich, dass eine im Vergleich zu Deutschland größere Anzahl britischer Versicherer vom Verlust des „Europäischen Passes“ betroffen wäre.
Wünschenswert wäre aus Sicht des GDV, dass der gegenseitige Marktzugang erhalten bleibt. Dies würde jedoch gleiche Wettbewerbs- und Regulierungsbedingungen zwischen der EU und einem von diesem Wirtschaftsraum losgelösten Großbritannien voraussetzen. Auf jeden Fall müssten sachgerechte Übergangsregeln vorgesehen werden, insbesondere auch für betroffene Lebensversicherungsverträge, deren Laufzeit weit in die Post-Brexit-Zeit hineinreichen kann.
Angesichts der hohen Komplexität und dem Zeitdruck der Verhandlungen wäre zudem für die notwendigen Anpassungen des Geschäftsbetriebs eine Implementierungsphase für die neue Rechtslage erforderlich.
Laut GDV ist Großbritannien mit einem Anteil von gut einem Fünftel der europäischen Beitragseinnahmen der größte Versicherungsmarkt in Europa und weltweit die Nr. 4 hinter den USA, China und Japan. In der Lebensversicherung entfällt sogar ein Viertel der europäischen Beitragseinnahmen auf den britischen Markt, gegenüber einem Anteil des zweitplatzierten Frankreichs von 19 Prozent und 13 Prozent für den deutschen Markt.
Die besondere Rolle des britischen Finanzdienstleistungssektors zeige sich auch im Versicherungsbereich: Im Vergleich zur Wirtschaftskraft Großbritanniens ist der britische Versicherungsmarkt dem GDV zufolge überdurchschnittlich entwickelt. Neben der hohen Bedeutung der privaten Altersvorsorge in Großbritannien ist dies vor allem darauf zurückzuführen, dass am britischen Markt traditionell viele Risiken aus anderen Ländern gezeichnet werden.
Quelle: Homepage GDV
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) mit Sitz in Berlin ist die Dachorganisation der privaten Versicherer in Deutschland. In dem Verband sind rund 450 Mitgliedsunternehmen mit 524.000 Mitarbeitern, 431 Millionen Versicherungsverträgen und einem Kapitalanlagebestand von etwa 1,51 Billionen Euro zusammengeschlossen. (JF1)