Studie zur InsurTech-Szene: Konsolidierung steht bevor
Die Managementberatung Oliver Wyman und Policen Direkt, Anbieter für Investments in Zweitmarktpolicen, haben erstmals die weltweite InsurTech-Szene analysiert. Der Befund: Mehr als 1.000 Start-ups sind in der Versicherungsbranche aktiv - doch längst nicht alle sind strategisch gut positioniert. Viele lukrative Felder werden laut Analyse vernachlässigt, echte Disruption sei selten. Dagegen sind andere Geschäftsmodelle trotz begrenzten Ertragspotenzials schon überbesetzt. Allerdings stehe der Branche eine zweite Welle der InsurTech-Bewegung mit erfolgversprechenderen Ansätzen bevor.
Wer kennt Zhong An? Nicht allzu viele Europäer dürften die Hand heben. Mehr als 450 Millionen Kunden gewann der Online-Versicherer aus Shanghai nach eigenen Angaben, seit er 2013 startete. Bestens ausgestattet mit umgerechnet 930 Millionen Dollar Investorengeld ist das InsurTech bereit zum Sprung von China in den Weltmarkt. An einem einzigen Tag im November 2016 verkaufte der Low-Cost-Anbieter 210 Millionen Policen - mehr als mancher Traditionsversicherer in einem Jahrzehnt. „Es ist eine reine Frage der Zeit, bis Unternehmen wie Zhong An die europäischen Märkte bearbeiten“, sagt Dietmar Kottmann, Insurance-Partner bei Oliver Wyman. Als Co-Autor der globalen InsurTech-Studie beleuchtet er detailliert die internationalen Digitalstrategien in der Versicherungswirtschaft.
Das Rennen um den weltweiten Versicherungsmarkt scheine eröffnet. InsurTechs greifen an mit IT-Know-how entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Angebot über Vertrieb bis zum Betrieb. „Während die meisten Versicherungsunternehmen InsurTech-Aktivitäten in der Vergangenheit zunächst außeracht ließen, sitzen InsurTech-Gründer heute längst auf Panel-Diskussionen wie selbstverständlich neben CEOs großer Traditionsanbieter“, sagt Nikolai Dördrechter, Geschäftsführer von Policen Direkt und Co-Autor der Studie. „Kaum jemand unterschätzt die InsurTechs heute noch. Die interessantere Frage: Wo überschätzen sie sich selbst?“
Die Gemeinschaftsstudie kommt zum Ergebnis, dass eine Konsolidierung bevor stehe. „Auf einige InsurTechs kommen schwierige Zeiten zu“, sagt Kottmann. Gerade in bereits überbesetzten Geschäftsfeldern, die häufig in den Bereichen Angebot und Vertrieb anzutreffen sind, sei eine Bereinigung unvermeidlich. „In der heutigen ersten Welle traten auch Start-ups an, die kaum über Branchenwissen verfügten“, sagt Kottmann. Das räche sich jetzt. Auch einige Investoren irrten mit der Annahme, es ließen sich ähnlich wie im disruptiven E-Commerce einfach Nachfrageströme unterbrechen und umleiten. „Dieser Ansatz läuft im Versicherungsgeschäft meist ins Leere. Denn es existieren nur sehr wenige Gebiete, in denen Kunden aktiv nach einer Absicherung suchen“, sagt Kottmann. „Es gilt vielmehr, das latente Kundenbedürfnis an die Oberfläche zu holen. Doch diese Kunst beherrschen erst wenige.“
Die Aussicht: „Eine zweite Welle erheblich besser aufgestellter InsurTechs wird kommen - mit mehr Branchenwissen und intelligenteren Ansätzen“, sagt Dördrechter. Er rechne damit, dass gerade europäische InsurTechs in vorhandene Lücken stoßen werden. Eine kritische Rolle spielten die Investoren: „Es wird spannend zu beobachten sein, wie sie auf die ersten Ausfälle reagieren. Und inwieweit sie bereit sind, die bevorstehenden teureren Finanzierungsrunden mitzugehen.“
Quelle: Pressemitteilung Oliver Wyman
Oliver Wyman ist eine Managementberatung mit weltweit 3.700 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in 26 Ländern. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies. (mb1)