Studie: Die zweite InsurTech-Welle rollt an - "echte Innovationen sind rar"
Nicht jedes Geschäftsmodell der sogenannten InsurTechs ist erfolgsversprechend, so lautet ein zentrales Ergebnis des „InsurTech-Radar Deutschland 2017“. In der Studie analysieren die Strategieberatung Oliver Wyman und Policen Direkt die Geschäftsmodelle von 110 Start-ups. Der Vergleich zum Vorjahr zeigt: Vertriebliche Modelle überwiegen noch mit 40 Prozent der Aktivität. Es stoßen aber immer mehr InsurTechs mit Technologiekompetenz in Lücken im Betrieb (38 Prozent) und Angebot (22 Prozent) vor. Eine flankierende Umfrage unter den deutschen InsurTech-Gründern zeigt zudem, dass größere Anschlussfinanzierungen zunehmend schwieriger werden. Dabei ist Geld aus den Händen von Primärversicherern bei den meisten Jungunternehmern verpönt. Rückversicherer dagegen sind als Investoren willkommen. Bei den InsurTechs hat es bereits erste Marktaustritte gegeben: Der Shake-out beginnt.
Das Gründungstempo im deutschen Versicherungsmarkt bleibt hoch: Waren Mitte 2016 etwas mehr als 50 InsurTechs aktiv, so sind es Ende 2017 bereits 110. „Die Verdopplung binnen 18 Monaten geht einher mit einer wachsenden Reife der InsurTechs. Die Gründer in Deutschland haben dazugelernt und in vielen Fällen ihre Geschäftsmodelle überarbeitet“, sagt Nikolai Dördrechter, Geschäftsführer der Policen Direkt-Gruppe. Die Studie zeigt: Die zweite Welle von vielversprechenden InsurTechs baut sich auf. Mit welcher Wucht sie ankommt, hängt allerdings noch von einigen Faktoren ab – weit vorne stehen Personal- und Finanzierungsfragen. Neuer Unternehmergeist fand sich im Jahr 2017 vor allem in Bereichen, die mehr Wissen über Versicherungen voraussetzen.
Entlang der Wertschöpfungskette haben die Experten 19 Geschäftsfelder für InsurTechs identifiziert. Zuletzt äußerst beliebt, aber damit auch tendenziell überbelegt, erscheinen digitale „Full-Stack-Carrier“, also volldigitale Versicherungsunternehmen mit Niedrigkostenstrategie und solche Lösungen, die den Versicherungsvertrieb technisch unterstützen. „Hier stehen die Zeichen eher auf Stagnation. Einige Marktteilnehmer werden ausscheiden oder ihr Geschäftsmodell in lukrativere Felder verlagern“, sagt Dietmar Kottmann, Partner bei Oliver Wyman. Dieses sogenannte „Pivotieren“ konnten die Experten bereits bei verschiedenen Marktteilnehmern beobachten. Hohes Potenzial bieten dagegen Innovationen in Bereichen, die innovative Lösungen aus einer Kombination von Versicherungswissen und Technologie erfordern. Kottmann: „Echte Innovationen sind hier noch rar gesät. Bei innovativen Angeboten wie Risikopartnermodellen oder ‚erlebter Sicherheit‘ sowie in Versicherungs-Kernaufgaben wie Antrag beziehungsweise Underwriting oder Schadensabwicklung erwarten wir daher Gründungen, die technologiegetriebene Innovationen nutzen.“ Da es um die Markteintritte ausländischer InsurTechs zuletzt etwas ruhiger geworden ist, finden auf diesem Gebiet mutige Gründer noch viele Chancen vor.
Zu einem Problem könnte allerdings die mangelnde Wachstumsfinanzierung werden: Um festzustellen, was die Gründer mit Blick auf das Kapital umtreibt, haben die Studienautoren eine Umfrage initiiert. 36 deutsche InsurTechs nahmen teil. Zentrales Ergebnis: „Es fehlt an Kapital speziell im Bereich hoher Anschlussfinanzierungen“, sagt Dördrechter. „Das Potenzial der aktuellen Investorenlandschaft genügt nicht. Auch von staatlicher Seite gibt es verglichen mit anderen Ländern derzeit noch zu wenig Unterstützung.“ Rund 70 Prozent der Gründer halten die staatliche Förderung in Deutschland für nicht ausreichend. Sie fürchten, Deutschland könne so vor allem im Vergleich zu den USA den Anschluss verlieren.
Werden weniger als 250.000 Euro benötigt, sieht nur jeder vierte Befragte Probleme. Finanzierungsrunden, in denen es um zwei Millionen Euro oder mehr geht, werden von zwei Dritteln als schwierig oder sehr schwierig angesehen. „Damit fehlt Geld für die Wachstumsphase. Marktdurchdringung oder internationale Expansion werden erschwert“, so Dördrechter. Nur ein Drittel der Gründer rechnet mit einer Entspannung in der Finanzierungsfrage binnen Jahresfrist.
Quelle: Pressemitteilung Oliver Wyman
Oliver Wyman ist eine Managementberatung mit weltweit über 4.500 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros in rund 30 Ländern. Oliver Wyman ist eine hundertprozentige Tochter von Marsh & McLennan Companies (NYSE: MMC).
Die Policen Direkt Versicherungsvermittlung GmbH wurde im Jahr 2004 mit Sitz in Frankfurt am Main gegründet und ist nach eigenen Angaben Marktführer im Zweitmarkt für Lebensversicherungen in Deutschland und Österreich. Die Policen-Direkt-Gruppe kauft, verkauft und verwaltet Lebensversicherungspolicen für private und institutionelle Investoren.(JF1)