Primärüberschüsse sind entscheidend für Verringerung der Staatsschuldenquoten
Wer in Europa für eine Verringerung der Staatsschuldenquote auf die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) setzt, dürfte enttäuscht werden. Selbst wenn die Zinsen erst 2030 wieder „normale“ Niveaus erreichen, dürfte die Staatsschuldenquote in Frankreich und im Euroraum insgesamt in den kommenden Jahrzehnten lediglich stagnieren. In Deutschland, Italien und Spanien könnten die Verschuldungsquoten langfristig sogar ansteigen. Dies sind zentrale Ergebnisse der Studie „Niedrigzinsen und der Abstieg vom Schuldengipfel“ von Allianz Global Investors (AllianzGI).
Grund für diese ernüchternde Erkenntnis seien vor allem die hohen Schuldenquoten in Kombination mit den niedrig anzusetzenden Erwartungen für das Wirtschaftswachstum im Euroraum. „Solange die Inflationsrate unter oder auf dem von der EZB angestrebten Zielwert von zwei Prozent bleibt, verzinsen sich die Staatsschulden trotz niedriger Zinsen schneller als die Wirtschaft wächst. Der gewünschte Effekt eines ‚Aus-den-Schulden-Herauswachsens‘ kommt somit nicht zustande“, so Hans-Jörg Naumer, Leiter Kapitalmarktanalyse bei AllianzGI und Autor der Studie.
Welche anderen Stellschrauben gibt es zur Verringerung der öffentlichen Schuldenquoten? Auf den ersten Blick könnten höhere Teuerungsraten in der Eurozone helfen. Die Simulation von AllianzGI zeige, dass unter ansonsten unveränderten Annahmen die Staatschuldenquote der Europäischen Währungsunion (EWU) bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von vier Prozent etwa im Jahr 2032 wieder Maastricht-konforme 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen könnte. Bei einer Teuerungsrate von sechs Prozent wäre dieser Schwellenwert sogar schon etwa 2024 realisierbar. Aber: Derart hohe Inflationsraten wären ein klarer Verstoß gegen das Stabilitätsmandat der EZB.
Sofern es keinen unerwarteten Wachstumsboom gibt, liege die eigentliche Lösung zum Schuldenabbau damit bei den Primärhaushalten: Nur wenn die Staaten öffentliche Budgetüberschüsse erwirtschaften, können die Staatsschuldenquoten auch bei einer zielkonformen Inflationsrate innerhalb überschaubarer Zeiträume zurückgeführt werden. Wie hoch die Primärüberschüsse ausfallen müssen, sei dabei vom Ausgangsniveau der Staatsverschuldung abhängig und somit von Land zu Land verschieden. In Deutschland würde im Vergleich zum Basisszenario, das lediglich von einem ausgeglichenen Primärsaldo ausgeht, ein Primärüberschuss von einem Prozentpunkt ausreichen, um die Staatsschuldenquote bis etwa 2022 wieder auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen. Ausgehend von der durchschnittlichen Schuldenquote in der Eurozone würde es der Simulation zufolge bis etwa 2041 dauern.
„Es zeigt sich sehr deutlich: Was für private Häuslebauer gilt, gilt auch für Staaten – ein Abstieg vom Schuldengipfel gelingt nur über Sparsamkeit“, so Naumer. „Dabei reicht es nicht, die öffentlichen Primärhaushalte lediglich auszugleichen. Vielmehr müssen Überschüsse erzielt werden. Darüber hinaus gehört auf die politische Agenda eines jeden Landes, Wachstumsbremsen zu lockern. Dies würde ein Herauswachsen aus den Schulden und damit einen Schuldenabbau unterstützen“, sagt Naumer.
Quelle: Pressemitteilung Allianz Global Investors
Allianz Global Investors (AllianzGI) ist eine Vermögensverwaltung des Versicherungskonzerns Allianz. Das 1998 gegründete Unternehmen mit Sitz in München beschäftigt rund 2.800 Mitarbeiter und verwaltet ein Vermögen in Höhe von 386 Milliarden Euro für Privatanleger, Family Offices und institutionelle Investoren. (mb1)