Analyse: Stiftungen müssen nachhaltiger und transparenter investieren
Mit einem im Rahmen des Projektes „Fair Anlegen & Stiften“ veröffentlichten Leitfaden wirbt die Berliner Nichtregierungsorganisation Facing Finance für eine bessere Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien bei der Vermögensanlage von deutschen Stiftungen. Denn diese seien nicht nur Wohltäter, sondern mit einem Gesamtkapital von geschätzten 110 Milliarden Euro auch einflussreiche Investoren.
Das vom Umweltbundesamt teilfinanzierte Projekt analysierte die Internetseiten und Jahresberichte der 38 größten deutschen gemeinnützigen Stiftungen in Bezug auf Richtlinien für die Vermögensanlage. Parallel dazu wurden die Stiftungen schriftlich und anonymisiert zu ihren eigenen ESG-Strategien befragt. Lediglich acht Stiftungen nahmen an der Umfrage teil. Die überwiegende Mehrheit reagierte nicht auf Anfragen oder sagte eine Projektteilnahme oftmals unbegründet ab.
Den Ergebnissen zufolge integrieren nur zehn Stiftungen ESG-Instrumente in ihre Anlagepolitik. Dies geschieht größtenteils im Rahmen von Ausschlüssen bestimmter Branchen wie Rüstung, Kohle, Tabak oder Glücksspiel. Sechs weitere Stiftungen verweisen lediglich generisch darauf, dass „Nachhaltigkeit“ ein Thema bei Anlageentscheidungen sei. „Bei über der Hälfte der analysierten Stiftungen (22) lässt sich hingegen keine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien feststellen“, sagt Emilia Tafel, Projektkoordinatorin von Facing Finance und Autorin des Leitfadens. „Man muss leider davon ausgehen, dass in den Portfolios deutscher Stiftungen eine nicht unerhebliche Anzahl an direkten oder indirekten Beteiligungen an kontroversen nicht-nachhaltigen Unternehmen beispielsweise aus den Bereichen fossiler Energie oder Rüstung schlummert“, resümiert Thomas Küchenmeister, geschäftsführender Vorstand von Facing Finance. Stiftungen liefen somit Gefahr, mit ihrer Geldanlage die eigenen Stiftungszwecke zu konterkarieren, ergänzt Küchenmeister.
Vor diesem Hintergrund soll der Leitfaden einen konstruktiven Dialogprozess unter deutschen Stiftungen anregen, der zu einer stärkeren Berücksichtigung von ESG-Kriterien und mehr Transparenz in der Vermögensanlage führen soll. Stiftungen sollten angesichts einer als unzureichend kritisierten EU-Taxonomie und fehlenden Standards bei der Offenlegungsverordnung (SFDR) einen eigenen, kritischen Nachhaltigkeitsstandpunkt erarbeiten, der die Beachtung ökologischer als auch sozialer Kriterien umfassend gewährleistet. (DFPA/mb1)
Facing Finance e.V. setzt sich für einen verantwortungsbewussten Umgang mit Geld ein und beabsichtigt institutionelle, öffentliche und private Finanzdienstleister, Bank- und Versicherungskunden zu sensibilisieren, nicht in Unternehmen zu investieren, die von Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen, Umweltverschmutzung, Korruption und der Herstellung völkerrechtswidriger Waffen sowie von Waffenexporten in Krisenregionen profitieren.