Analyse: Zinswende bremst Preisentwicklung bei Wohnimmobilien
Trotz der starken Entwicklung der Wohnimmobilienpreise in der ersten Jahreshälfte 2022 dürfte die Zinswende der Europäischen Zentralbank (EZB) zusammen mit den hohen Preisen eine Abkühlung des Marktes in der zweiten Jahreshälfte bewirken. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in einer Studie zum deutschen Wohnimmobilienmarkt.
„Die Kombination aus hoher Inflation, steigenden Zinsen und unsicheren wirtschaftlichen Aussichten durch den Ukraine-Krieg wirkt auf die Immobilienmärkte", sagt BVR-Vorstand Dr. Andreas Martin. In der zweiten Jahreshälfte und auch im kommenden Jahr sei daher mit einer deutlichen Dämpfung der Preisentwicklung insbesondere in den teuren Ballungsräumen zu rechnen. „Grundsätzlich bleibt die Immobiliennachfrage durch Zuwanderung und dem Wunsch nach mehr Wohnraum aber intakt", so Martin. Im ersten Halbjahr 2022 betrug der Preisanstieg für selbstgenutztes Wohneigentum noch rund zwölf Prozent zum Vorjahreszeitraum, getrieben auch von Käufern, die sich noch die niedrigen Zinsen sichern oder sich mit Immobilienbesitz absichern wollten. Für das Gesamtjahr rechnet der BVR daher mit einem Plus von bis zu 8,3 Prozent.
Der reale Kaufkraft- und Einkommensverlust der privaten Haushalte durch die drastischen Preisanstiege im Energiebereich betreffe auch die Zahlungsbereitschaft am Immobilienmarkt. Gleichzeitig bedeute die Zinswende der EZB während einer belasteten Konjunktur eine Neubewertung aller Vermögensklassen, wovon mit gewisser Verzögerung auch Immobilien betroffen sein werden. Sollte die Zinswende etwa aufgrund neuer Schocks schneller erfolgen, könne die Preisentwicklung am Immobilienmarkt bereits in diesem Jahr auf ein Plus von fünf Prozent fallen. Die langfristige Zinsbindung sowie die Eigennutzung stabilisierten jedoch den Markt. Massenhaften Zwangsverkäufen wie in der US-Subprime-Krise werde so ein Riegel vorgeschoben.
Die Prognose des BVR basiert auf einem Modell, in dem die Preisveränderungen von selbstgenutztem Wohneigentum in den 401 Kreisen Deutschlands durch makroökonomische Faktoren wie Inflations- und Zinsentwicklung sowie lokale Faktoren wie die Einkommens-, Bevölkerungs- und Neubauentwicklung im Kreis erklärt werden. Hierbei habe sich insbesondere die Zinsentwicklung als wichtiger Fundamentalfaktor erwiesen. Die Prognose nimmt hierbei einen Anstieg der Kreditzinsen auf einen durchschnittlichen Effektivzinssatz von 3,5 Prozent an; ausgehend von einem weiteren Leitzinsanstieg der EZB um 0,5 Prozent in diesem Jahr. Andere Zinsverläufe, aber auch andere Inflationsentwicklungen oder eine Eskalation von Gaskrise oder des Ukrainekriegs könnten die Preisentwicklung auch bedeutend schwerer beeinflussen. (DFPA/mb1)
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