Deutsches Venture-Capital-Klima kühlt zum Jahresende deutlich ab
Das Geschäftsklima auf dem deutschen Venture-Capital-Markt (VC-Markt) hat sich laut „German Venture Capital Barometer“ der KfW zum Jahresende deutlich abgekühlt. Der Geschäftsklimaindikator des Frühphasensegments sackte um 25,6 Zähler auf minus 42,9 Saldenpunkte ab. Abgesehen vom Corona-Schock im ersten Quartal 2020 war die Stimmung zuletzt nur vor 20 Jahren schlechter. Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage fiel auf minus 41,2 Saldenpunkte (minus 28,9 Zähler), der Indikator für die Geschäftserwartung auf minus 44,7 Saldenpunkte (minus 22,2 Zähler).
Ein Hauptgrund für den Stimmungseinbruch dürfte die negative Entwicklung der Unternehmenswerte seit Jahresbeginn sein, die nun zu Wertberichtigungen in den Jahresabschlüssen geführt haben. Darüber hinaus haben sich bei den realisierten VC-Deals im vierten Quartal vor allem US-Investoren zurückgehalten. Diese fehlen als kapitalstarke Syndizierungspartner für hiesige Investoren, was Investitionsmöglichkeiten einschränke. Aufgrund der niedrigen Unternehmensbewertungen ist der Stimmungsindikator für die Einstiegspreise für Neuinvestitionen im letzten Quartal auf den höchsten Stand seit zehn Jahren gestiegen. Vor dem Hintergrund stark eingetrübter Erwartungen ist das Investitionsklima im Schlussquartal in den roten Bereich abgerutscht. Das kann die Investitionstätigkeit in den nächsten Quartalen belasten. Mit dem abkühlenden Investitionsklima ist auch das tatsächliche Dealvolumen - nicht zuletzt aufgrund der Zurückhaltung von US-Investoren - im Vergleich zum im dritten Quartal um 40 Prozent eingebrochen. Diese Quartalsentwicklung ist Sinnbild für das Gesamtjahr 2022, das im Dealvolumen ebenfalls um rund 40 Prozent unter dem Vorjahreswert geblieben ist. Es ist nach dem Ausnahmejahr 2021 damit aber immer noch das zweitstärkste VC-Jahr in der jüngeren Vergangenheit des deutschen VC-Markts.
„Das VC-Geschäftsklima ist im vierten Quartal 2022 nochmals eingebrochen", sagt Fritzi Köhler-Geib, die Chefvolkswirtin der KfW. „Offenbar rückten mit dem Jahresabschluss die aufgrund der Jahresentwicklung notwendigen Wertberichtigungen nochmals in den Fokus und drückten die Stimmung. Auch die zurückhaltende Investitionstätigkeit von US-Investoren hat belastet. Das unterstreicht die Notwendigkeit im Scale-up-Bereich noch mehr zu tun, um hier die Abhängigkeit von US-Investoren zu verringern. Die mittelfristig guten Aussichten für die VC-Investitionstätigkeit hellen den Jahresanfang 2023 auf: Die Investitionsmittel, die insbesondere junge Fonds noch von ihren Fondsinvestoren abrufen können, sind trotz des widrigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds weiter gestiegen. Der INVEST-Zuschuss, der für Business Angels ein wichtiger Investitionsanreiz ist, hat glücklicherweise einen schnellen Neustart." Die KfW berechnet das German Venture Capital Barometer zusammen mit dem Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) und dem Deutsche Börse Venture Network exklusiv für das Handelsblatt. (DFPA/mb1)
Die KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) ist die größte nationale Förderbank der Welt. Ihre Gründung erfolgte 1948 auf der Grundlage des „KfW-Gesetzes“ als eine Anstalt des öffentlichen Rechts.