"Die Notenbanken machen ernst!"
Die Aktienmärkte blicken auf volatile Handelstage zurück, nachdem die Notenbanken, initial mit Jerome Powells Rede in Jackson Hole, die Marktteilnehmer auf eine fokussierte US-Notenbank eingestellt und den Paradigmenwechsel vollzogen haben, schreibt Michael Winkler, Leiter Anlagestrategie bei der St. Galler Kantonalbank Deutschland, in seinem aktuellen Marktkommentar „Winklers Weitblick“.
Angesichts des weiterhin hohen Tempos der Geldentwertung in fast allen Industrieländern liegt der Fokus der US-Notenbank Fed und nun auch der EZB eindeutig auf der Inflationsbekämpfung – ohne Rücksicht auf die Konjunkturentwicklung, auch eine Rezession wird in Kauf genommen, so Winkler. Die EZB will erklärtermaßen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage senken, um ein dauerhaft höheres Inflationsniveau zu verhindern. Damit liegt die EZB auf einer Linie mit der Fed. Jerome Powell hatte beim Treffen der Notenbanker in Jackson Hole ebenfalls klargestellt, dass es um dauerhaft höhere Zinsen für eine längere Zeit geht.
Angesichts dieser Kursänderung der Notenbanken falle die Reaktion der Aktienmärkte eher moderat aus. Die alten Tiefststände des Jahres 2022 wurden von den US-Aktienindizes wie S&P 500 nicht erneut getestet. Für den DAX ging es zwar etwas tiefer, neue Jahrestiefststände wurden aber auch dort nicht erreicht. Für diese Nachrichtenlage zeigten sich die Aktienmarktindizes zur Zeit in stabiler Verfassung, ein erneut höherer Pessimismus der Marktteilnehmer wirke stützend, führt Winkler aus.
Die Erwartungen waren vor allem an die EZB sehr hoch, angesichts des jahrlangen Zögerns. Kurz gesagt könne festgestellt werden: Die EZB hat geliefert. Die jüngste Zinserhöhung von 75 Basispunkten war der größte Zinsschritt aller Zeiten. Gleichzeitig war die Kommunikation von EZB-Chefin Christin Lagarde endlich klarer: Man sei immer noch „weit vom finalen Zinssatz entfernt“. Winkler und sein Team erwarten die Spitze des Zinszyklus bei 2,5 Prozent, dieses Niveau sollte Anfang 2023 erreicht werden. Festverzinsliche Wertpapiere werden damit laut Winkler wieder attraktiv.
„Wie geht es weiter? Das Kapitalmarktumfeld bleibt weiter sehr anspruchsvoll. 2022 ist und wird wohl auch kein gutes Aktienjahr mehr werden. Die Herausforderungen sind zahlreich: Es ist fraglich, ob Russland überhaupt wieder Gas liefert. Die europäischen Staaten haben gewaltige fiskalische Entlastungspakete beschlossen oder angekündigt, um die Auswirkungen der Energiepreise für Privathaushalte abzufedern. Die Lieferketten bleiben zudem weiter gespannt: In 33 Städten in China gilt weiter ein harter Lockdown, dazu kommen Spannungen mit Taiwan.
Trotzdem sind die Kapitalmärkte schon einen weiten Weg gen Süden gegangen: Chancen könnten Investoren in weniger zyklischen Sektoren wie Nahrungsmittel und Gesundheit, Unternehmen mit stabilem Geschäftsmodell und Preissetzungsmacht, finden. Auch sollten Aktien von Versicherungsunternehmen von dem zukünftig höheren Zinsniveau profitieren. Für einen breiten Einstieg in den Aktienmarkt dürfte es aber noch zu früh sein, der Abwärtstrend ist noch intakt“, so Winkler abschließend. (DFPA/JF1)
Die St. Galler Kantonalbank Deutschland AG ist eine hundertprozentige Tochter der St.Galler Kantonalbank AG. Die deutsche Gesellschaft mit Sitz in München wurde 2009 gegründet. Im Jahr 2011 wurde eine weitere Präsenz in Frankfurt am Main eröffnet.