DIW: Neue Studie zur "Rente mit 67"
Länger arbeiten, später in den Ruhestand – darauf müssen sich die Menschen im Zuge der Verschiebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters auf 67 einstellen. In den kommenden Jahren wird das tatsächliche Renteneintrittsalter um bis zu anderthalb Jahre steigen – auf rund 65,5 Jahre. Das zeigt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Damit wird zwar die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, das wesentliche Ziel der „Rente mit 67“, erreicht.
Der Preis dafür sind nach Analyse der DIW-Forscher jedoch höhere Ungleichheit und größere Armutsrisiken im Alter. Denn der Unterschied zwischen gesetzlicher Regelaltersgrenze und tatsächlichem Renteneintritt zeige, dass viele Menschen vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden müssen. Das Risiko, nicht durchzuhalten, sei für Beschäftigte mit mittlerem oder niedrigerem Bildungsabschluss höher als für Arbeitnehmer mit höherer Bildung. „Gerade für Menschen, die ohnehin auf dem Arbeitsmarkt schlecht dastehen, wird es schwierig sein, sich an die neuen Altersgrenzen anzupassen. Die spätere Rente trifft also die Schwächsten am härtesten“, fasst DIW-Rentenexperte Dr. Johannes Geyer ein zentrales Ergebnis der Untersuchung zusammen. Wer nicht bis zur Regelaltersgrenze durchhält, etwa aus gesundheitlichen Gründen oder weil er nach einer Entlassung keinen Job findet, könnte künftig bei den finanziellen Möglichkeiten im Ruhestand noch weiter zurückfallen als heute schon: Bei mindestens zweijähriger Erwerbslosigkeit vor Renteneintritt dürften die Einkommenseinbußen gegenüber Menschen, die direkt aus Erwerbstätigkeit in Rente gehen, von aktuell zehn auf 16 bis 17 Prozent im verfügbaren Einkommen steigen. Wer vorher aus der Erwerbstätigkeit ausscheiden muss, habe also deutlich weniger Geld zur Verfügung – und müsse möglicherweise über andere Sozialtransfers unterstützt werden. „Den entlastenden fiskalischen Wirkungen“ der Rente mit 67 „stehen große sozialpolitische Risiken gegenüber“, schreiben die Wissenschaftler.
In den vergangenen Jahren sei die Quote der älteren Beschäftigten zwar gestiegen, das liege aber überwiegend daran, dass Beschäftigte länger im Job bleiben. Wer dagegen im vorgerückten Alter seinen Arbeitsplatz verliert, habe nach wie vor schlechte Chancen auf einen neuen. Ob die Menschen zukünftig tatsächlich so lange arbeiten können wie vorgesehen, hänge also entscheidend davon ab, wie sich der Arbeitsmarkt für Ältere entwickelt.
Die Forscher haben zwei Szenarien bis zum Jahr 2032 simuliert – bis dahin wird die Anhebung der Altersgrenze für die gesetzliche Rente von 65 auf 67 Jahre abgeschlossen sein. Im ersten Szenario gehen sie davon aus, dass die Beschäftigungsquoten der Älteren auf dem heutigen Niveau verharren. In dem Fall erfolgen weiterhin rund 40 Prozent aller Rentenzugänge nicht aus einer Beschäftigung, 24 Prozent sind mindestens zwei Jahre erwerbslos vor dem Übergang in die Rente. Im zweiten Szenario rechnen die Wissenschaftler mit einer steigenden Beschäftigungsquote älterer Menschen, indem sie die ausgesprochen gute Arbeitsmarktentwicklung der vergangenen Jahre fortschreiben. Dann sinke der Anteil derjenigen, die nicht aus einer Beschäftigung in die Altersrente wechseln, auf rund 20 Prozent. In beiden Fällen steigt das tatsächliche Renteneintrittsalter, das aktuell im Schnitt bei rund 64 Jahren liegt, bis zum Beginn der 2030er-Jahre an: im ersten Szenario auf 65,5 Jahre, im zweiten auf 65,8 Jahre. Allerdings zeigten sich dabei Unterschiede: Für höher gebildete Personen verschiebt sich der Renteneintritt mit 1,6 bis zwei Jahren stärker als für Personen mit geringer oder mittlerer Bildung mit einem bis 1,4 Jahren. „Trotz des günstigen Arbeitsmarktumfeldes ist die kontinuierliche Erwerbstätigkeit bis zum Renteneintritt längst nicht die Regel“, so die Forscher. Nur bei einer sehr günstigen weiteren Arbeitsmarktentwicklung würden deutlich weniger Menschen aus Erwerbslosigkeit in die Rente wechseln.
Quelle: Pressemitteilung DIW
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin) ist ein 1925 gegründetes Wirtschaftsforschungsinstitut mit Sitz in Berlin. Die Kernaufgaben sind anwendungsorientierte Grundlagenforschung, wirtschaftspolitische Beratung und das Bereitstellen von Forschungsinfrastruktur. (mb1)