Edmond de Rothschild Asset Management: "Anleger halten eine Bankenkrise für wahrscheinlich"
Benjamin Melman, Global Chief Investment Officer des Vermögensverwalters Edmond de Rothschild Asset Management, erwartet künftig eine restriktivere Kreditvergabe und ein daraus resultierendes erhöhtes Rezessionsrisiko sowie weitere Zuflüsse bei den Geldmarktfonds. In seinem jüngsten „Letter from the CIO“ kommentiert Melman die aktuelle „Bankenkrise“: „Es wird es zu der Verschärfung der Kreditbedingungen kommen, die die Geschäftsbanken bereits vor der Krise angekündigt hatten. Entweder, weil die Konkurrenz der Geldmarktfonds in einem Umfeld höherer Zinsen die Flucht aus Einlagen beschleunigt, oder weil die aktuellen Verwerfungen, deren Folgen noch nicht abzusehen sind, eine vorsichtigere Kreditvergabepolitik erfordern.
In den USA sind die Einlagen bei Banken seit einem Jahr um fast vier Prozent zurückgegangen, um die 700 Milliarden US-Dollar. Das komme vor allem den Geldmarktfonds zugute – die verzeichnen Zuflüsse von 557 Milliarden US-Dollar – denn sie bieten höhere Renditen als Einlagen bei sehr hoher Liquidität und Sicherheit. „Wir gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird angesichts des jüngsten Anstiegs der Geldmarktzinsen und der geringen Bereitschaft der Großbanken, deutlich höhere Einlagenzinsen zu zahlen. Zumal sie von dem Abfluss von Einlagen von kleinen Banken profitieren“, sagt Melman.
Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) neigten weiterhin zur Straffung der Geldpolitik. Behielten sich nach ihren jüngsten geldpolitischen Sitzungen jedoch die Möglichkeit vor, abzuwarten. Eine Lockerung der Geldpolitik komme für sie – insbesondere angesichts des nach wie vor hohen Inflationsdrucks – nicht in Frage. Dennoch rechne der Markt damit, dass die Fed die Leitzinsen von Juni 2023 bis Januar 2023 um 80 Basispunkte senken wird. Die Anleger halten eine Ausbreitung der Bankenkrise für wahrscheinlich. Die Volatilität der Zinsen, die in den vergangenen Wochen stark angestiegen waren, dürfte also weiterhin hoch bleiben. Denn die prognostizierte Zinsentwicklung sei angesichts der anhaltend hohen Inflation nicht plausibel. Der starke Zinsrückgang während der Bankenkrise habe die negativen Auswirkungen auf die Ausweitung der Kreditspreads vollständig oder teilweise ausgeglichen. Die Rückkehr auf ein höheres Zinsniveau sorge somit erneut für Schutz: Sollten wir in eine Bankenkrise geraten, würde die damit verbundene Kreditklemme wahrscheinlich innerhalb weniger Monate das Problem der kurzfristig zu hohen Inflation lösen. „Wir bevorzugen daher weiterhin Carry-Anlagen bei unseren Allokationen. Wir würden unsere Einschätzung revidieren, wenn es zu einer weiteren Ausbreitung der Bankenkrise oder einer zu drastischen Rationierung des Bankkredits kommen sollte“, sagt Melman.
Auch wenn sich die Bankenkrise nicht weiter ausbreitet, erhöhe die Verschärfung der Kreditvergabepolitik, die trotzdem folgen dürfte, das Rezessionsrisiko. „Gegenüber Aktien ziehen wir es daher vor etwas vorsichtiger zu sein. Innerhalb dieser Anlageklasse bevorzugen wir China, das trotz einer unerwartet schwachen Konjunkturerholung und eines nach wie vor instabilen geopolitischen Umfelds von der Unterstützung der Behörden und dem fehlenden Inflationsdruck profitiert. Gleichzeitig favorisieren wir den Gesundheitssektor, der von den aktuellen Problemen nicht betroffen ist und von attraktiven Bewertungen und günstigen Aussichten profitiert“, sagt Melman. (DFPA/mb1)
Die Edmond de Rothschild-Gruppe ist eine unabhängige Unternehmensgruppe in Familienbesitz, die auf die Bereiche Asset Management und Private Banking spezialisiert ist. Neben dem Asset Management und Private Banking ist die Gruppe in den Bereichen Corporate Finance, Private Equity und Fondsverwaltung tätig.