Finanzexperten erwarten kein Einlenken bei Zinsplattformen
Nach der Pleite der Greensill Bank sehen Finanzmarktexperten/-innen erheblichen Regulierungsbedarf bei Zinsplattformen und der Einlagensicherung von Banken. Das ist das Ergebnis einer Umfrage und Studie des ZEW - Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung. Die Insolvenz von Greensill im März 2021 hatte eine Lücke von über drei Milliarden Euro in die Sicherungssysteme der privaten Banken gerissen. Diese muss nun durch die Beiträge der verbleibenden Banken wieder gefüllt werden.
Die Mehrheit der Befragten erwartet nicht, dass Zinsplattformen aus eigenem Interesse dafür sorgen werden, Banken mit übermäßig riskantem Geschäftsmodell von ihrer Plattform fernzuhalten. Sie müssten daher zu mehr Risikoaufklärung gegenüber ihren Kunden/-innen verpflichtet werden, so die Meinung der Experten/-innen. An der Sonderfrage im aktuellen ZEW-Finanzmarkttest hatten sich 188 Finanzmarktexperten/-innen beteiligt.
Rund zwei Drittel (65 Prozent) der befragten Finanzexperten/-innen wollen Zinsplattformen, denen eine Schlüsselposition bei der Vermittlung riskanterer Einlagenangebote zukommt, zu mehr Risikoaufklärung gegenüber ihren Kunden verpflichten. Dass diese aus eigenem Interesse dafür sorgen, dass Anbieter mit übermäßig riskantem Geschäftsmodell nicht auf ihrer Plattform vertreten sind, ziehen 57 Prozent der Befragten in Zweifel. Eine Mehrheit von 44 Prozent lehnt jedoch ab, dass Zinsplattformen im Entschädigungsfall einen Teil der vermittelten Einlagen ersetzen müssen.
„Das Beispiel Greensill bestätigt, was wir aus zahlreichen Studien wissen: Die Einlagensicherung kann Anleger/innen dazu bringen, das Risiko ihrer Einlagen zu unterschätzen. Ein solches Verhalten ist nachvollziehbar, doch sollte der Bankensektor jetzt nachsteuern, um das Schadensfallrisiko im Falle einer Bankeninsolvenz zu mindern beziehungsweise die Schadensfallsumme für die Einlagensicherung einzugrenzen“, sagt Dr. Karolin Kirschenmann, stellvertretende Leiterin des ZEW-Forschungsbereichs „Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement“.
Bei der Reform der Einlagensicherung halten die Finanzmarktexperten/-innen besonders eine Risikoteilung zwischen Sicherungssystemen und Einlegern und eine verstärkte Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) für besonders geeignet. 33 Prozent der Befragten sehen es als stark positiv an, wenn Kunden im Entschädigungsfall einen Selbstanteil von fünf bis 15 Prozent tragen. Weitere 36 Prozent sehen dies positiv. Eine schärfere Prüfung und Überwachung der Institute durch die Bafin sehen 32 Prozent der Befragten stark positiv und weitere 38 Prozent positiv.
Etwas weniger Zustimmung erhalten die Vorschläge einer schärferen Prüfung und Überwachung durch den Prüfungsverband der deutschen Banken (26 Prozent stark positiv, 41 Prozent positiv) und einer stärkeren Risikogewichtung der Beitragsprämien von Banken zum Einlagensicherungsfonds (27 Prozent stark positiv, 36 Prozent positiv). „Interessanterweise hat das Vertrauen in die Bafin unter den befragten Finanzmarktexperten/-innen nicht gelitten, obwohl die Aufsichtsbehörde in Zusammenhang mit Wirecard häufiger negative Berichterstattung erlebte“, sagt ZEW-Bankenexpertin Kirschenmann.
49 Prozent der Befragten stimmen zu, dass die öffentlichen Haushalte zu mehr Transparenz bei ihren Geldanlagen verpflichtet werden sollten. 21 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Anlagemöglichkeiten öffentlicher Haushalte gesetzlich eingeschränkt werden sollten. Lediglich zehn Prozent halten es für ausreichend, dass die öffentlichen Haushalte durch die Wähler sanktioniert werden können. Eine Mehrheit von 54 Prozent der Finanzmarktexperten/-innen ist zudem der Meinung, dass die Einlagensicherung zukünftig nur noch Privatanleger entschädigen sollte, während 32 Prozent dieser Aussage nicht zustimmen (14 Prozent machen keine Angabe). (DFPA/TH1)
Quelle: Pressemitteilung ZEW
Das ZEW ist ein gemeinnütziges wirtschaftswissenschaftliches Forschungsinstitut in der Rechtsform einer GmbH. Es wurde 1990 auf Initiative der baden-württembergischen Landesregierung, der Wirtschaft des Landes und der Universität Mannheim gegründet und nahm im April 1991 die Arbeit auf und forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung.