Fürst Fugger: Erwartung trifft auf Realität - Ende der Rallye in Sicht?
Bei den meisten Konjunkturprognosen für das Jahr 2023 ging es eigentlich nur um eine Frage: Kommt eine harte Landung oder gelingt es der Wirtschaft, weich aufzusetzen? Mittlerweile mache aber noch eine dritte Option die Runde, schreibt Norbert Frey, Leiter Fondsmanagement der Fürst Fugger Privatbank, in seinem aktuellen Marktkommentar.
„Derzeit wird ein ,no landing‘ diskutiert, also gar keine Landung. Sinngemäß etwa: Tun wir einfach so, als wäre nichts.“ Dass die Wirtschaft einfach so weiterwächst, hält Frey allerdings nur in manchen Regionen für möglich.
So gelinge der Neustart Chinas nach der Aufhebung der „Null-Covid-Politik“ überraschend schnell und die Wirtschaftsprognosen müssten angehoben werden. „Leider sieht es in Deutschland nicht ganz so rosig aus“, sagt Frey. „Gerade wurde das BIP für das vierte Quartal 2022 veröffentlicht. Es sank unerwartet stark um 0,4 Prozent. Das verheißt auch für das erste Quartal 2023 nichts Gutes.“ Gesunkene Konsumausgaben der Verbraucher und verringerte Investitionen der Unternehmen haben die Konjunktur ausgebremst. Sinke das BIP zwei Quartale in Folge, sprechen Ökonomen von einer „technischen Rezession“. Damit wäre Deutschland in eine Winterrezession gerutscht. Ein deutlich kräftigeres Wachstum zeichne sich für die USA ab, zumindest nach dem „GDPNOW“-Modell der Fed of Atlanta. Ihm zufolge sei für das erste Quartal sogar ein Wachstum von 2,2 Prozent möglich.
Frey bleibt unbeeindruckt: „Das alles ändert nichts am grundsätzlichen Inflationsproblem. Im Gegenteil: Es kann sich sogar noch verschärfen.“ Je länger die Wirtschaft boome und neue Arbeitsplätze schaffe, desto dauerhafter dürfte die ohnehin hartnäckige Dienstleistungsinflation werden. Er meint: „Dass die Notenbanken bald die Zinsanhebungen beenden, dürfte jedenfalls vom Tisch sein.“ Auch wenn sich die Unternehmensgewinne bislang überraschend gut gehalten haben, sei die Kursrallye der vergangenen Wochen vor diesem Hintergrund schwer nachvollziehbar. Frey sagt: „Aktuell sorgen nicht Erträge für Kursgewinne, sondern Bewertungen.“ Das liege an den Realzinsen. „Die Kursanstiege dürften größtenteils auf Markttechnik zurückgehen.“ Short-Positionen seien eingedeckt worden, taktische Positionen ausgebaut.
„Es ist gefährlich, zu viel Inflations-, Zins- und Konjunkturoptimismus aus dem Marktverhalten herauszulesen“, warnt Frey. Die hohe Nachfrage nach Unternehmensanleihen könne nämlich auch bedeuten, dass Investoren mit einem Anlagehorizont von mehr als sechs Monaten Zweifel an der Nachhaltigkeit von Unternehmensgewinnen und Aktienbewertungen hegen. Er warnt daher: „Wir können uns vorstellen, dass die derzeitige Rallye in der zweiten Jahreshälfte ein schnelles Ende nimmt.“ Sein Rat: bei der Anlageentscheidung verstärkt auf die fundamentalen Bewertungen achten. (DFPA/JF1)
Die Fürst Fugger Privatbank Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Augsburg. Die Bank versteht sich als professioneller Finanzdienstleister für alle Anliegen rund um die private Geldanlage vermögender Privatkunden.