Homeoffice sorgt für deutlich mehr Aktionäre in Deutschland
Rund fünf Prozent der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland haben im Corona-Jahr 2020 das erste Mal eine Aktie gekauft oder in einen Aktienfonds investiert – ein ungewöhnlich starker Anstieg innerhalb eines Jahres. Maßgeblich dafür verantwortlich war die verstärkte Nutzung des Homeoffice im Zuge der Pandemie. Das sind die zentralen Ergebnisse einer Studie der Abteilung Weltwirtschaft des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Im Rahmen der neuen DIW-Studie haben die DIW-Ökonomen Lorenz Meister und Lukas Menkhoff Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet. Demnach besaßen im Jahr 2020 rund 23 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland Aktien. Selbst bei Berücksichtigung, dass sich der Aktienbesitz nach Geschlecht, Herkunft und Einkommen unterscheidet, hatten im Jahr 2020 im Homeoffice Erwerbstätige eine um 5,7 Prozentpunkte höhere Wahrscheinlichkeit, Aktien zu besitzen. Die größte Rolle für einen Neueinstieg in den Aktienmarkt spielte das Homeoffice im untersten Viertel der Einkommensverteilung. Im oberen Viertel war der Anteil der Neueinsteiger zwar größer, allerdings gab es dort keine Unterschiede zwischen zu Hause und am Arbeitsplatz Erwerbstätigen.
„Homeoffice hat den Zugang zum Aktienmarkt offenbar erleichtert“, sagt Menkhoff, Co-Autor und Leiter der Abteilung Weltwirtschaft im DIW Berlin. „Dass durch das Homeoffice auch Menschen mit eher niedrigen Einkommen in den Aktienmarkt eingestiegen sind, ist eine gute Nachricht, die langfristig sogar zu einer gleichmäßigeren Einkommens- und Vermögensverteilung beitragen kann“, so Menkhoff.
Ein Grund für den Homeoffice-Effekt auf den Aktienbesitz ist wohl, dass viele Arbeitnehmer durch den Wegfall des Arbeitsweges im Durchschnitt eine Stunde mehr Zeit zur Verfügung haben, rund die Hälfte davon verwenden sie für Freizeitaktivitäten. „Der Effekt des Homeoffice auf den Aktienbesitz wurde womöglich durch das Aufkommen sogenannter Neobroker noch verstärkt – also von Online-Plattformen, über die Aktien ohne großen Aufwand und ohne hohe Kosten gehandelt werden können“, sagt Studien-Co-Autor Meister. „Auch die im Zuge der coronabedingten Lockdowns gestiegene Sparquote hat womöglich zum Aktienboom beigetragen.“
Die Neuaktionäre im Jahr 2020 unterscheiden sich von den Altaktionären in verschiedenen Merkmalen. Unter anderem haben die Neueinsteiger ein geringeres durchschnittliches Nettoeinkommen, deutlich geringere Nettovermögen, sind jünger und haben häufiger einen Migrationshintergrund. „Insgesamt können deutlich mehr Menschen von den vergleichsweise hohen Aktienrenditen profitieren“, resümiert Menkhoff. „Die Politik könnte diese Entwicklung unterstützen, zum Beispiel durch mehr finanzielle Bildung im Schulunterricht.“ (DFPA/JF1)
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW Berlin) ist ein 1925 gegründetes Wirtschaftsforschungsinstitut mit Sitz in Berlin. Die Kernaufgaben sind anwendungsorientierte Grundlagenforschung, wirtschaftspolitische Beratung und das Bereitstellen von Forschungsinfrastruktur.