Kommentar: Ist die Diversifikation mit Aktien und Anleihen ausgestorben?
Während die Renditen auf Finanzanlagen 2022 bei vielen Anlegern für Frustration sorgten, haben diejenigen mit Balanced Portfolios besonderen Grund zur Unzufriedenheit, da sie das schlechteste Renditejahr seit der globalen Finanzkrise (GFC) erlebt haben. Anleger mit Balanced Portfolios (in der Regel eine 60/40-Aufteilung in Aktien und Anleihen) verfolgen diese Strategie normalerweise, weil sie im Vergleich zu reinen Aktienstrategien aufgrund der Reduzierung von Verlusten mit der Zeit bessere risikobereinigte Renditen erzielt hat. Der Grundgedanke einer ausgewogenen Strategie ist, dass sich Aktien und Anleihen in Zeiten von Finanzmarktstress in der Regel in entgegengesetzte Richtungen entwickeln. Das merken Jeremiah Buckley und Greg Wilensky, Portfoliomanager bei dem Vermögensverwalter Janus Henderson Investors, in einem Kommentar an.
Das 60/40-Portfolio weise eine beeindruckende Erfolgsbilanz auf: Vor 2022 erzielte es in 35 der letzten 41 Jahre eine positive Rendite. Allerdings funktionierte die Strategie 2022 nicht so, wie die Anleger es erwartet hatten: Sie erzielte eine Rendite von -16,9 %, während der Bloomberg U.S. Aggregate Bond Index das schlechteste Jahr seiner Geschichte und der S&P 500® Index das siebtschlechteste Jahr seit der Großen Depression verzeichneten. Für die Anleger sei es unseres Erachtens wichtig zu verstehen, dass 2022 unter Renditegesichtspunkten ein Ausnahmejahr war. Der Abschwung bei den Wertpapierkursen wurde größtenteils durch die aggressiven Zinserhöhungen der Federal Reserve (Fed) ausgelöst (4,25 % innerhalb des Kalenderjahres), mit denen sie versuchte, die galoppierende Inflation einzudämmen. Doch war die kombinierte Wirkung der Zinserhöhungen auf Aktien und Anleihen höchst ungewöhnlich, denn beide beendeten das Jahr erst zum fünften Mal seit 1928 mit einem Rückgang. Die Debatte über den künftigen Wert des Balanced Portfolios gehe weiter. Kritiker des 60/40-Portfolios weisen auf die stark gestiegene Korrelation zwischen Aktien- und Anleiherenditen 2022 hin. Ihr Argument: Wenn sich Anleihen und Aktien jetzt parallel zueinander entwickeln, was nützen dann Anleihen als Diversifikator? „Wir sind jedoch der Ansicht, dass die Anleger gut daran tun, die Korrelation längerfristig zu betrachten“, so heißt es. Die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen schwankte in den vergangenen 30 Jahren auf rollierender Ein-Jahres-Basis erheblich, und auf rollierender Drei-Jahres-Basis war sie über lange Zeiträume entweder positiv oder negativ. Trotz der kurzfristigen Schwankungen lag die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen im Durchschnitt bei nahezu null. Bei der Bewertung der Portfolioperformance 2022 und ihrer Ausrichtung für 2023 sollten die Anleger zwei wichtige Punkte berücksichtigen: Erstens sollten Anleger das Jahr 2022 relativieren. Höhere Zinsen haben zu einer erheblichen Risikoneubewertung an den Märkten geführt, und obwohl es mühsam war, sollte ein einzelnes Jahr nicht als Änderung einer langfristigen Beziehung missverstanden werden. Anleger sollten ihre Asset Allocation nur dann anpassen, wenn sich ihre langfristigen Ziele oder ihre Risikotoleranz ändern.
Zweitens sollten Anleger bei ihrer Portfoliopositionierung vorausschauend handeln. Der Silberstreif am Horizont von 2022 ist, dass Aktien und Anleihen heute besser aufgestellt sind als noch vor einem Jahr. Da die Inflation weiter zurückgeht, dürfte der Zinsanstieg bei festverzinslichen Wertpapieren größtenteils hinter uns liegen. „Insgesamt glauben wir, dass ein aktiver, dynamischer Ansatz bei der Verwaltung eines ausgewogenen Portfolios in den kommenden Jahren von Vorteil sein könnte. Wir gehen davon aus, dass bei einer straffen Geldpolitik ein aktiverer Ansatz für jede Anlageklasse von Vorteil sein könnte, der aktiven Portfoliomanagern die Möglichkeit bietet, einzelne Aktien und Anleihen mit hervorragenden Cashflow- und Bilanzkennzahlen auszuwählen“, so heißt es in dem Kommentar. (DFPA/mb1)
Die Janus Henderson Group ist ein Vermögensverwalter mit Sitz in London.