Kommentar: Liquiditäts- und Stressindikatoren senden Warnsignale
Verschiedene Stressindikatoren, darunter der umfassende „National Financial Conditions Index“ in den USA, steigen immer stärker an und liefern damit deutliche Warnsignale für das Finanzsystem. Es besteht die zunehmende Gefahr von „monetären Luftlöchern“, also von temporären Liquiditätsengpässen im Finanzsystem. Dies kann an den Märkten zu heftigen Turbulenzen führen, die sogar ein Eingreifen der Zentralbanken erfordern könnten. Das merkt Beat Thoma, CIO bei dem Asset Manager Fisch Asset Management in Zürich, in einem Kommentar an.
Ein erstes Beispiel sei kürzlich an den englischen Staatsanleihenmärkten (Gilts) zu beobachten gewesen. Auch verschiedene konjunkturelle Frühindikatoren wie beispielsweise die wichtigen „Conference Board Leading Economic Indices“ signalisierten zunehmende Rezessionsgefahren. Die Abflachung der Zinskurven sowohl in den USA – und dort jüngst auch im bisher noch steilen Bereich drei Monate gegenüber zehn Jahren – wie auch in Europa bestätigen jeweils wachsenden konjunkturellen Gegenwind. Schnell fallende Geldmengen und Immobilienpreise sowie nachgebende Rohstoffpreise wirken zusätzlich deflationär.
Aufgrund einer aktuell stark gekrümmten und steilen Phillips-Kurve (Verhältnis Arbeitslosigkeit zu Inflation) dürfte bereits ein moderater Anstieg der Arbeitslosigkeit in den USA zu schnell abnehmendem Inflationsdruck führen. Deshalb sei eine starke Rezession keine notwendige Voraussetzung für die US-Notenbank Fed, ihre Inflationsziele zu erreichen. Die Unternehmensgewinne und die Arbeitsmärkte seien sowohl in den USA wie auch Europa immer noch sehr solide. Auch dies dämpft rezessive Tendenzen zumindest teilweise. Ein Soft-Landing in den USA und eine nur milde Rezession in Europa seien deshalb weiterhin ein Szenario mit hoher Wahrscheinlichkeit. Die deflationären Faktoren würden insgesamt für eine etwas weniger restriktive Geldpolitik der Zentralbanken sprechen. Sie dämpften zumindest die langfristigen Zinsen, und ein Ende des Anstiegszyklus zeichne sich daher ab. Aus Glaubwürdigkeitsgründen bleiben die Fed und EZB aber vorerst auf einem stark restriktiven Kurs. Für die Finanzmärkte und die Konjunktur sei dies weiterhin ein Belastungsfaktor, was auch durch die Frühindikatoren bestätigt wird.
Es bestehe deshalb weiterhin ein Tauziehen zwischen abnehmender Inflationsdynamik, die eine Lockerung der Geldpolitik erlaubt, und übertrieben restriktiven Notenbanken, die eine Rezession und monetäre Luftlöcher begünstigen. Ein Hoffnungsschimmer kam vor einigen Tagen, als verschiedene Vertreter der US-Notenbank ihre Besorgnis über zu schnelle Zinserhöhungen ausdrückten. An den Aktien- und Kreditmärkten sei deshalb eine temporäre Erholungsrallye jederzeit möglich. Die Marktstimmung sei extrem negativ und viele belastende Faktoren seien in den aktuellen Kursen eingepreist. Allerdings müsse für eine langfristige Trendwende zuerst eine offizielle Änderung der Geldpolitik oder klare positive Überraschungen an der Inflationsfront abgewartet werden. Langfristige Opportunitäten zeichneten sich aber immer stärker ab und bei entsprechender Risikotoleranz könne ein schrittweiser Risikoaufbau im Portfolio bereits jetzt in Betracht gezogen werden. „Wir halten nach Abwägung aller Faktoren trotzdem noch an einer defensiven Positionierung fest“, sagt Thoma. (DFPA/mb1)
Fisch Asset Management ist ein auf ausgewählte Anlagestrategien spezialisierter Asset Manager und bietet Wandelanleihen, Corporate Bond sowie Multi Asset/Absolute Return Lösungen an.