Marktkommentar: Frontiermärkte lösen klassische Schwellenländer ab
Derzeit ist ein differenzierterer Blick auf die Emerging Markets sinnvoll, schreibt der Investmentmanager Capital Group in einem Marktkommentar. Klassischen Schwellenländer wie Russland, Mexiko und Südafrika dürfte es schwerfallen, das starke Wachstum aus früheren Jahrzehnten aufrecht zu erhalten. Zugleich seien ihre Finanzmärkte gereift und ihre Risikoprämien zurückgegangen, wodurch die zu erwartenden Erträge sinken. Aus diesem Grund rücken die so genannten Frontiermärkte ins Blickfeld, zu denen beispielsweise Kenia, Bangladesch oder Sri Lanka gehören. „In vielerlei Hinsicht gleichen die Frontiermärkte von heute den Emerging Markets von früher“, sagt Jeremy Cunningham, Investmentspezialist bei Capital Group.
Das hohe Wirtschaftswachstum der Frontiermärkte beruhe in erster Linie auf deren jungen, wachsenden Bevölkerung. Zudem steige in vielen dieser Ländern die Beschäftigtenzahl schneller an als die Bevölkerung insgesamt. „Dadurch werden Ressourcen für Investitionen in die wirtschaftliche Entwicklung und den Sozialstaat frei. Pro-Kopf-Einkommen und Inlandskonsum können dann steigen; das Wirtschaftswachstum kann nachhaltiger werden“, erläutert Cunningham. Ein anderer Aspekt sei, dass neue Dienstleistungen wie der mobile Zahlungsverkehr oder mobile Bankdienstleistungen oft schnell angenommen werden. Hinzu käme der Rohstoffreichtum vieler Frontiermarkets.
Vorteilhaft für Investoren sei zudem die geringe Korrelation zahlreicher Frontiermärkte mit Industrieländer- und Emerging-Market-Indizes – und auch die niedrige Korrelation untereinander. „Dies liegt zum Teil daran, dass sich die meisten Aktien in den Händen inländischer Investoren befinden, die meist keine passiven Anleger sind“, so Cunningham. „Eine Rolle spielt aber auch die niedrige Verschuldung, die eine geringere Korrelation mit internationalen Wechselkurs- und Zinsänderungen zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die Frontiermärkte meist einen eher kleinen Anteil am Welthandel haben.“ Außerdem seien die Frontiermärkte an sich sehr unterschiedlich – auch hinsichtlich ihrer Anlagechancen. Sowohl Afrika als auch der Nahe Osten verfügten über viele Rohstoffe, doch die meisten afrikanischen Volkswirtschaften seien weniger weit entwickelt als die Länder des Nahen Ostens. Zudem hemmten politische Unruhen die Entwicklung vieler rohstoffreicher Frontiermärkte – sie brauchen Zeit und Kapital, um ihre Unternehmen rentabel aufzustellen. Zur Risikosteuerung trägt letztlich noch bei, dass ein Ereignis in einem Frontiermarkt in der Regel wenig Implikationen für die Entwicklung in einem anderen Land hat. „Beispielsweise dürfte ein Regimewechsel in Ägypten kaum Auswirkungen auf die Aussichten für Argentiniern haben,“ sagt Cunningham.
Doch der Investmentspezialist betont, dass Anlagen in Frontiermärkte trotz der attraktiven Chancen auch einige Herausforderungen mit sich bringen: „Alle Anlagen gehen mit gewissen Risiken einher – doch wer an den Frontiermärkten investiert, geht zusätzliche Risiken ein.“ Ein Grund hierfür ist, dass Schocks weniger gut abgefedert werden können, weil es keine inländischen Pensionsfonds, Finanzmarktinfrastrukturen oder aufsichtsrechtliche Regeln gibt. Auch die politischen und Governance-Risiken sind in den Frontiermärkten höher und die Konjunkturzyklen ausgeprägter. „Angesichts der geringeren Volatilität der Frontiermärkte kann es in Zeiten starker Markteinbrüche hier zu hohen Verlusten kommen“, erläutert Cunningham und weist darauf hin, dass deshalb sorgfältige Analysen unabdinglich bei Investitionen in diese Volkswirtschaften sind. „Wichtig ist, Unternehmen aus Ländern mit Reformschritten zu finden – oder Unternehmen, die aller Voraussicht nach unabhängig von ihrem Herkunftsland erfolgreich sein können. Aus diesem Grund haben wir bei Capital Group ein spezielles Team, das alle Aspekte von Investitionen an neuen Märkten untersucht.“
Quelle: Marktkommentar Capital Group
Capital Group wurde im Jahr 1931 in den USA gegründet und ist ein Investmentmanager mit einem verwalteten Vermögen in Höhe von mehr als 1,7 Billionen US-Dollar. Seit 1962 ist die Capital Group in Europa vertreten und verwaltet seit über 20 Jahren Vermögen für Kunden in Deutschland und Österreich. (Stand: 31. Dezember 2017) (JF1)