Metzler AM: Ist Inflation überhaupt noch ein ernsthaftes Risiko?
Trotz globaler Krisen und massiver Geldmengenexpansion blieb die Inflation überraschend moderat und sank schneller als erwartet. Dank Globalisierung und technologischem Wandel ist das Risiko einer dauerhaft hohen Inflation gering, meint Edgar Walk, Chefvolkswirt von Metzler Asset Management
Walk geht davon aus, dass das Risiko einer dauerhaft hohen Inflation gering ist, weil selbst inmitten historischer Krisen wie der Pandemie, der Lieferkettenprobleme und des Ukraine-Kriegs die Inflation nicht dauerhaft stark angestiegen ist. Dies liegt Walks Meinung nach unter anderem daran, dass Waren nur 40 Prozent des Konsumentenpreisindex ausmachen und die stabileren Dienstleistungspreise die Inflation gedämpft haben. Zudem haben die Globalisierung, insbesondere die Möglichkeit der USA, trotz Lieferkettenproblemen weiterhin im großen Umfang zu importieren. Die USA reagierten auf diese Krisen mit einer massiven Erhöhung der Staatsausgaben. Ziel war es, die Einkommen der privaten Haushalte zu stützen und eine Investitionsoffensive zu finanzieren, die die Energiewende und eine geringere Abhängigkeit von China vorantreiben sollte. Die Staatsausgaben stiegen so von etwa 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf nahezu 40 Prozent.
Trotz der Lieferkettenprobleme konnten die USA in erheblichem Umfang importieren. Auch die Folgen der Wirtschaftskrise und Deflation in China sollten nicht unterschätzt werden. Ein boomender Konsum in China hätte die Inflation in den USA deutlich stärker ansteigen lassen. Mit der Entspannung der Lieferketten stabilisierten sich die Güterpreise ab 2023 wieder. Zudem trugen die Zinserhöhungen der Zentralbanken dazu bei, das Geldmengenwachstum durch gedämpfte private Kreditvergabe zu reduzieren.
Diese erstaunlich gedämpfte Inflationsentwicklung selbst in der größten vorstellbaren Krise zeigt, dass es offensichtlich in einer immer noch stark globalisierten Welt für Unternehmen sehr schwer ist, die Preise stetig in großen Sprüngen anzuheben. Es ist somit unwahrscheinlich, dass ein gefährlicher Inflationsprozess in Gang kommt. Hinzu kommt der rapide technologische Wandel. Künstliche Intelligenz wird erhebliche Auswirkungen auf die Produktivität in den kommenden Jahren haben. Solange es also nicht zu einer echten Deglobalisierung kommt, sind die Risiken einer strukturell hohen Inflation begrenzt. Als eine strukturell hohe Inflation können Inflationsraten von über fünf Prozent bezeichnet werden.
Natürlich wird die Inflation in Zukunft weiterhin zyklisch schwanken. Auch dürfte die Inflation aufgrund der hohen Verschuldung im Durchschnitt eher bei drei Prozent als bei zwei Prozent liegen. Damit kann aber die Weltwirtschaft gut leben. Die Risiken einer gefährlich hohen Inflation sind dagegen, wie beschrieben, aus Walks Sicht eher niedrig. (DFPA/abg)
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Die B. Metzler seel. Sohn & Co. Aktiengesellschaft ist eine Privatbank mit Sitz Frankfurt am Main. Das 1674 gegründete Unternehmen ist schwerpunktmäßig in den Geschäftsfeldern Vermögensverwaltung und Investmentbanking tätig.