"Mumm kompakt": Die langfristigen Perspektiven der Weltkonjunktur
Nach den schwächeren Schnellschätzungen der Markit-Einkaufsmanagerindizes für Deutschland und die Eurozone zeichnete der ifo-Geschäftsklimaindex für die deutsche Wirtschaft in der letzten Woche ein ähnliches Bild. Vor allem sorgte der historisch beispiellose Einbruch der Erwartungskomponente – angesichts kurzfristig kaum berechenbarer weiterer Auswirkungen des Ukrainekonfliktes – für eine Eintrübung der Unternehmensstimmung, so heißt es bei „Mumm kompakt“, einer Einschätzung von Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel.
Auch wenn sich US-Unternehmen bisher weitgehend von der kriegsbedingten Verunsicherung abkoppelten, bestehe die Gefahr, dass sich der an den internationalen Kapitalmärkten wieder spürbare Optimismus mit deutlich steigenden Aktienkursen als verfrüht erweisen könnte. Zumal ein weiterer Schlüsselfaktor für das Börsengeschehen, die Geldpolitik, in vielen Volkswirtschaften bereits auf einen klar restriktiven Kurs mit der Folge steigender Zinsen eingeschwenkt sei. Trotz der jüngsten Abwärtskorrektur von Konjunkturprognosen für das laufende Jahr bleibe als Basisszenario weiterhin ein relativ dynamisches globales Wachstum 2023. Gestützt werde die wirtschaftliche Entwicklung von den nachlassenden Belastungen durch Corona-Restriktionen und gestörte Lieferketten. Zudem werde die Konjunktur durch den Abbau aufgestauter Aufträge in der Industrie und die Nachholung von privaten Konsumausgabengestützt. Staaten und Unternehmen werden in den kommenden Jahren deutlich erhöhte Investitionen zur Dekarbonisierung der Produktion und zur Erhöhung der Resilienz vornehmen. Laut Einschätzung der Experten des Kiel Instituts für Weltwirtschaft dürfte die Versorgungssicherheit vorerst höher gewichtet werden als globalisierungsbedingte Vorteile internationaler Arbeitsteilung beziehungsweise der Fokus auf die Erzielung von Spezialisierungsgewinnen.
Die Konjunkturforscher erwarten jedoch nach 2023 eine Abschwächung des Weltwirtschaftswachstums unter das Niveau der Vor-Coronazeit, vor allem wegen wachstumsdämpfender demografischer Effekte in vielen großen Volkswirtschaften inklusive China. Auch in Deutschland werde ab 2024 der demografische Wandel das Wachstumspotenzial belasten. Die zunehmende Arbeitskräfteknappheit werde stärker steigende Löhne zur Folge haben, zumal auch politisch die Weichen in Richtung einer stärkeren Umverteilung zwecks Abbau von Einkommens- und Vermögensscheren gestellt werden. Da auch Rohstoffpreise auf hohen Niveaus bleiben dürften, bleibe die Kostenseite der Unternehmen voraussichtlich längerfristig angespannt. Vor allem in Europa wirke der Wegfall der Friedensdividende zusätzlich negativ. Staaten werden verstärkt kaum produktivitätssteigernde Rüstungsinvestitionen vornehmen und kriegsbedingt fallen für viele Unternehmen Geschäftsaktivitäten in beziehungsweise mit Russland aus. Somit belasteten verschiedene strukturelle und langfristig wirkende Faktoren auch die Gewinnperspektiven vieler Unternehmen in den kommenden Jahren. Mehr denn je werde es auf schlanke Prozesse und innovative Produktionsmethoden ankommen, um sich im Wettbewerb absetzen zu können. (DFPA/mb1)
Die Donner & Reuschel AG ist eine Privatbank mit Hauptsitz in Hamburg. Das 1798 gegründete Unternehmen gehört seit dem Jahr 1990 zur Versicherungsgruppe Signal Iduna.