"Mumm kompakt": Immobilienmärkte verarbeiten den Zinsschock
Die liquiden Segmente der Kapitalmärkte haben die historisch beispiellose Zinswende vieler Notenbanken im vergangenen Jahr in Form massiver Kursverluste bei Aktien, Anleihen und Krypto-Anlagen verarbeitet und verzeichneten in diesem Jahr bereits sehr positive Wertentwicklungen. Bei den jahrelang gestiegenen Immobilienpreisniveaus ist die Anpassung an die neue Zinsrealität noch in vollem Gange: So zeigt der Immobilienpreisindex des Verbands der deutschen Pfandbriefbanken (vdp) im ersten Quartal 2023 für alle Objektklassen Preisrückgänge. Dabei fielen die Preise für Einzelhandels- und Büroimmobilien im Vergleich zum Vorjahr besonders stark um 10,5 beziehungsweise 7,5 Prozent. So heißt es bei „Mumm kompakt“, einer Einschätzung von Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel.
Relativ moderat korrigierten Wohnimmobilienpreise mit einem Minus in Höhe von 2,1 Prozent. Allerdings verweise der vdp auf die nach wie vor sehr geringe Anzahl von Transaktionen am Immobilienmarkt, woraus abgeleitet werden kann, dass die Phase der Hauspreiskorrektur sich noch einige Quartale hinziehen kann – bis sich ein neues, an das stark gestiegene Zinsniveau angepasstes Gleichgewicht gebildet hat. Offensichtlich werden Verkäufe derzeit nur im Falle nicht verschiebbarer Gründe getätigt, während Käufer auf weitere Preiskorrekturen warten.
Der Stillstand am Immobilienmarkt sprreche aber auch dafür, dass es sich um eine zyklische Korrektur und nicht um das Platzen eines Preisblase handelt, vor allem im Segment Wohnen. Panikverkäufe seien nicht feststellbar. Die Zinsen für private Baufinanzierungen befänden sich nach einer Verdreifachung seit Anfang 2022 seit einigen Monaten in einer Seitwärtsbewegung und die EZB nähert sich dem Ende ihres Zinserhöhungszyklus. Da jedoch nicht mit deutlich fallenden Hypothekenzinsen zu rechnen sei, unter anderem weil Banken die Kreditvergabebedingungen weiter angezogen haben, dürften bei anstehenden Refinanzierungen in den kommenden Monaten mehr Hausbesitzer als in den vergangenen Jahren zu einem Verkauf gezwungen werden. Allerdings stehen dem daraus steigenden Angebot laut Mumm auch eine grundsätzlich weiterhin hohe Nachfrage und eine in den vergangenen Monaten deutlich reduzierte Neubautätigkeit gegenüber. So wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts im ersten Quartal 2023 25,7 Prozent weniger Baugenehmigungen für Wohnungen erteilt als im Vorjahr. Nicht zuletzt die weiterhin tief negativen Realrenditen – nominale Zinsen abzüglich Inflation – sprechen laut Einschätzung für eine wieder anziehende Nachfrage nach realen Anlagen, sobald sich das neue Gleichgewichtspreisniveau abzeichne. Um die notwendige Neubautätigkeit anzukurbeln, sollten auch von staatlicher Seite entsprechende Förderungen bereitgestellt sowie regulatorische Bauvorgaben flexibilisiert werden. (DFPA/mb1)
Die Donner & Reuschel AG ist eine Privatbank mit Hauptsitz in Hamburg. Das 1798 gegründete Unternehmen gehört seit dem Jahr 1990 zur Versicherungsgruppe Signal Iduna.