"Mumm kompakt": Mögliche Auswirkungen des Ukraine-Konflikts
Im Falle einer Eskalation des Ukraine-Konfliktes stünde wirtschaftlich einiges auf dem Spiel, kurzfristig vor allem für Europa, aber auch für Russland selbst. Der Ausfall russischer Öl- und Gasexporte würde eine erneute Preisexplosion am Energiemarkt bedeuten. In einem Umfeld eines global zu knappen Ölangebotes wäre es kaum möglich, die mit der erwarteten konjunkturellen Belebung steigende Nachfrage anderweitig zu bedienen, so heißt es bei „Mumm kompakt“, einer Einschätzung von Carsten Mumm, Leiter Kapitalmarktanalyse und Chefvolkswirt des Bankhauses Donner & Reuschel.
Weder die OPEC-Staaten noch die USA könnten ihre Produktion kurzfristig ausweiten. Anzunehmen wäre zudem, dass die Inbetriebnahme der Gaspipeline Northstream II in noch weitere Ferne rücken würde. Da etwa 45 Prozent der EU-Gasimporte aus Russland kommen, wären möglicherweise sogar Produktionsrestriktionen für besonders energieintensive Unternehmen denkbar. Auch weitere Sanktionen gegen Russland oder ein Abschneiden Russlands vom internationalen Zahlungssystem SWIFT hätten massive Auswirkungen für viele europäische Unternehmen. Es wäre mit Zahlungsausfällen russischer Schuldner zu rechnen mit entsprechenden Rückschlägen für Banken und Exporteure. Schließlich wären direkte Auswirkungen auf die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) wahrscheinlich.
Trotz eines weiter steigenden Inflationsdrucks durch höhere Energiepreise dürfte die für März erwartete Darlegung eines möglicherweise bereits in diesem Jahr beginnenden weniger expansiven geldpolitischen Kurses verschoben werden. An den internationalen Aktienbörsen wären kurzfristig größere Rücksetzer wahrscheinlich. Im Gegenzug dürften sichere Häfen, wie Bundesanleihen und der US-Dollar, gefragt sein. Wie lange die Verunsicherung an den Börsen anhält, hänge vom weiteren Verlauf des Konfliktes ab. Sollte Russland militärisch neue Fakten schaffen, beispielsweise durch die Besetzung des Dombas, und der Westen unentschlossen reagieren, dürfte sich der Fokus an den Börsen schnell wieder auf fundamentale Konjunkturdaten, die Corona-Pandemie, die Lieferkettenengpässe und den weiteren Verlauf der Inflation beziehungsweise resultierender Zinssorgen richten. Im Falle eines weiteren Vordringens russischer Truppen in Richtung Kiew dürften die Verunsicherung erheblich länger anhalten. Da auch für Russland wirtschaftlich viel auf dem Spiel stehe, bleibe zu hoffen, dass eine totale Eskalation vermieden werden kann. Wirtschaftlich zeichne sich immer deutlicher eine schleichende Deglobalisierung ab. Nicht zuletzt werde Europa bemüht sein, die Abhängigkeit des Energiesektors von Russland erheblich zu reduzieren. In dieser Gemengelage sei es wichtiger denn je, das Systemmodell der Marktwirtschaft und der Demokratie im internationalen Wettbewerb wieder erfolgreicher zu gestalten. Dieser Weg gehe vor allem über Innovation und eine zielgerichtete Transformation der Volkswirtschaften in die digitale, dekarbonisierte und menschenorientierte Zukunft. (DFPA/mb1)
Die Donner & Reuschel AG ist eine Privatbank mit Hauptsitz in Hamburg. Das 1798 gegründete Unternehmen gehört seit dem Jahr 1990 zur Versicherungsgruppe Signal Iduna.