PwC: Neue Basel-IV-Regeln zwingen Banken zur Überprüfung ihrer Unternehmensstrategie
Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht hat ein überarbeitetes Rahmenwerk zur Berechnung von risikogewichteten Aktiva und Capital Floors vorgestellt. Die standardisierten Ansätze sind risikosensitiver geworden, während die Verwendung interner Risikomodelle mehr Einschränkungen unterliegt. Zusammen mit bereits im letzten Jahr beschlossenen Regeländerungen betreffen die Neuerungen sämtliche Banken – unabhängig von ihrer Größe oder ihrem Geschäftsmodell. Angesichts des Ausmaßes der Änderungen werden Reformen zusammen gemeinhin als „Basel IV“ bezeichnet.
Nach Einschätzung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) verfolgt der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht mehrere Ziele mit den neuen Regeln. Zum einen soll das Vertrauen in sogenannte interne Modelle erhöht werden, zum anderen werden insbesondere die Standardverfahren deutlich risikosensitiver und so angepasst, dass den Veränderungen der Kapital- und Kreditmärkte der letzten Jahre Rechnung getragen wird. Bei den sogenannten Operationellen Risiken dürfen keine internen Modelle mehr verwendet werden und es wird ein einheitlicher Standard für alle Banken eingeführt. Eine Einigung bei der Überarbeitung der Regeln für Kredite an Staaten konnte nicht erzielt werden.
Obwohl die finalen Regelungen im Vergleich zu den ursprünglichen Entwürfen stark entschärft wurden, müssen insbesondere einige europäische und auch deutsche Institute laut PwC mit deutlichen Erhöhungen ihrer risikogewichteten Aktiva (RWA) und somit mit niedrigeren Kapitalquoten rechnen. Die Änderungen würden sich jedoch sehr individuell auswirken. Während einige Institute mit einer Erhöhung von bis zu zehn bis 15 Prozent rechnen müssen, profitieren andere Banken sogar von den Neuerungen. Das tatsächliche Ausmaß hänge stark von den bestehenden Geschäftsmodellen ab und von der Frage, inwieweit in der Vergangenheit interne Modelle zur Messung der Risiken herangezogen wurden.
„Die geplanten Änderungen werden dazu führen, dass die Banken die Eigenkapitalanforderungen in ihren Geschäftsbereichen überprüfen und gegebenenfalls ihre Produkt- und Preisgestaltung anpassen müssen. Das überarbeitete Rahmenwerk wird sich daher auf die Unternehmensstrategie und die Geschäftsmodelle der Banken auswirken. Der Baseler Ausschuss rechnet mit einer gewissen Kapitalumverteilung im Finanzsystem“, sagt Martin Neisen, Global Basel IV Leader und Partner bei PwC Deutschland. „Im Fokus der größeren Banken dürften die festgelegten Capital Floors stehen. Einige Banken werden vor allem darüber nachdenken müssen, wie sie ihre Infrastruktur und die verwendeten Technologien verbessern können, um die Menge der Daten und deren Granularität bewältigen zu können. Diese sind angesichts der nun komplexeren standardisierten Ansätze gestiegen.“
Das Reformpaket wird ab 2020 stufenweise bis 2027 eingeführt. Auch der bereits 2016 verabschiedete neue Standard für Marktpreisrisiken wird auf 2022 verschoben, so dass alle Neuerungen in einem „Big Bang“ eingeführt werden. Dies ermöglicht es den Banken, die Kapitalauswirkungen, die aus den neuen Anforderungen entstehen, besser steuern und bewältigen zu können. Zudem sind die nationalen und europäischen Gesetzgeber gefragt, um das Basel-IV-Paket in nationales beziehungsweise europäisches Recht zu überführen und entsprechende Umsetzungsfristen festzulegen.
Die neuen Regeln werden auch auf andere Unternehmen der Finanzbranche Auswirkungen haben. Erhöhen sich die Kapitalkosten für einzelne Geschäfte bei den Banken, wird sich dies in den Zinsen und Provisionen widerspiegeln. Konkurrenten der Banken wie zum Beispiel Versicherungen, Hedgefonds oder FinTechs stehen bereits in den Startlöchern um Geschäfte zu übernehmen, die aufgrund der neuen Regeln für Banken unattraktiv werden.
„Auch wenn der Zeitpunkt für die Umsetzung des Reformpakets scheinbar noch in weiter Ferne liegt, müssen alle Banken jetzt handeln“, sagt Neisen. „Mit der Entscheidung des Baseler Komitees hat die Bankenbranche nun endlich Klarheit bekommen. Aber es ist offensichtlich, dass die Banken viel Zeit, Aufwand und beträchtliche Ressourcen benötigen werden, um die Auswirkungen der Reformen zu verstehen, umzusetzen und zu bewältigen.“
Quelle: Pressemitteilung PwC
PricewaterhouseCoopers International (PwC) ist ein globales Netzwerk rechtlich selbständiger und unabhängiger Unternehmen in den Geschäftsbereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung sowie Unternehmens- und Managementberatung. PwC-Netzwerk beschäftigt insgesamt 236.000 Mitarbeiter in 158 Ländern. (jpw1)