"Runter mit dem Fahrstuhl, wieder hoch über die Treppe"
Die aktuellen Konjunkturdaten sind derzeit überwiegend freundlich und teilweise sogar überraschend positiv. So lag der deutsche Einzelhandelsumsatz im Mai um fast 14 Prozent über dem Niveau im April – ein Plus von knapp fünf Prozent gegenüber der Vor-Corona-Zeit, schreibt Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt des Investmenthauses Feri-Gruppe, in einem aktuellen Marktkommentar. Die Daten zeigten insgesamt, dass die wirtschaftliche Erholung nach dem Lockdown im April inzwischen wieder an Fahrt gewinnt. Die Wirtschaftsleistung dürfte damit im dritten Quartal deutlich höher liegen als im zweiten Quartal, heißt es weiter. Bis zum Ende des Jahres erscheint es lauf Angermann möglich, dass das Bruttoinlandprodukt knapp zehn Prozent höher ist als am Tiefpunkt im zweiten Quartal.
Einen Grund zur Euphorie sieht Angermann allerdings nicht. Es entspreche den Erwartungen, dass auf einen schnellen und tiefen Absturz der Wirtschaft nach Aufhebung der zuvor herbeigeführten Beschränkungen zunächst eine deutliche Erholung folge. Der Wiederaufstieg werde jedoch mühsam. Bildlich gesprochen: „Runter mit dem Fahrstuhl, wieder hoch über die Treppe“. Während die meisten Länder im Frühjahr gemeinsam abgestürzt sind, legten sie beim Aufstieg ein unterschiedliches Tempo vor. In China ist etwa die Industrieproduktion viel weiter oben auf der Treppe angekommen als der private Konsum, der auch drei Monate nach Lockerung der schärfsten Beschränkungen weiterhin schwach ausfällt. In den USA wiederum steigen derzeit in vielen Bundesstaaten die Infektionszahlen, was den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung im Sommer spürbar bremsen wird – möglicherweise geht es dort auf der Aufstiegstreppe zwischenzeitlich wieder einige Stufen nach unten. Auch in Deutschland bleibt das Konsumentenvertrauen im Juli im negativen Bereich, und der Anstieg der Autoverkäufe blieb im Mai hinter den Erwartungen zurück.
Wie es in Deutschland weitergeht, hängt laut Angermann wesentlich von zwei Faktoren ab: Nachfrageseitig sei entscheidend, wie viele der über sechs Millionen Kurzarbeiter wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können und für wie viele die Kurzarbeit nur die Vorstufe zur Arbeitslosigkeit ist. Angebotsseitig kommt es darauf an, ob und wie schnell sich der Welthandel normalisiert. Da die deutsche Wirtschaft stärker als andere von Exporten abhängig ist, besteht zwischen beiden Faktoren ein Zusammenhang. „Wir müssen also im eigenen Interesse darauf hoffen, dass die Pandemie weltweit, insbesondere in den USA, unter Kontrolle gebracht wird, und dass der wirtschaftliche Wiederaufstieg in ganz Europa in Gang kommt (auch mit Hilfe eines EU-Wiederaufbaufonds). Schließlich bleibt zu hoffen, dass die sommerliche Reisewelle auch in Deutschland selbst nicht zu einer zweiten Pandemiewelle mit neuerlichen Einschränkungen führt. Realistisch erscheint aus heutiger Sicht die Erwartung, dass die deutsche Wirtschaft im ersten Halbjahr des Jahres 2022 das Vorkrisenniveau wieder übertrifft. Mit einem dauerhaften Wohlstandsverlust ist dennoch zu rechnen, im günstigsten Fall kann die langfristige Abweichung vom alten Wachstumspfad auf etwa drei Prozent begrenzt werden“, so Angermann. (DFPA/JF1)
Quelle: Marktkommentar Feri
Die 1987 gegründete Feri-Gruppe mit Sitz in Bad Homburg ist in den Geschäftsfeldern Vermögensberatung und -verwaltung sowie Wirtschaftsforschung tätig. Seit 2006 gehört die Unternehmensgruppe zum MLP-Konzern. Derzeit betreut Feri zusammen mit MLP ein Vermögen von rund 39,2 Milliarden Euro, darunter 8,5 Milliarden Euro Alternative Investments.