Schuldscheinmarkt öffnet sich für Firmen mit mäßiger Bonität
Investoren zeichnen neuerdings vermehrt Schuldscheine von Unternehmen, die nicht über ein Investment Grade verfügen, so zeigen aktuelle Zahlen der Ratingagentur Scope. Damit befinde sich der Schuldscheinmarkt so stark im Aufwind wie zuletzt vor Ausbruch der Finanzkrise.
Die Suche der Investoren nach auskömmlichen Renditen im Niedrigzinsumfeld bestimme immer stärker das Geschehen auf dem Schuldscheinmarkt. „In der Vergangenheit mussten Unternehmen eine erstklassige Bonität haben, um Schuldverschreibungen platzieren zu können“, sagt Olaf Tölke, Leiter der Unternehmensanalyse bei der Ratingagentur Scope Ratings. „Das hat sich jüngst geändert. Auf der Suche nach Rendite zeichnen immer mehr institutionelle Investoren auch Papiere von Firmen, die lediglich über eine durchschnittliche Bonität verfügen.“ Zugleich besitze inzwischen mehr als ein Drittel der Schuldscheinemittenten kein Investment Grade, ergab eine Scope-Stichprobe. Tölke geht davon aus, dass dieser Anteil in Zukunft weiter wachsen wird.
Mehr als zwölf Milliarden Euro hätten Unternehmen im vergangenen Jahr über Schuldscheine eingesammelt. Im laufenden Jahr gewinne der Aufwärtstrend noch einmal deutlich an Fahrt, bis Ende Juli lag das Volumen bereits bei rund zehn Milliarden Euro.
Unternehmen unterhalb eines BBB-Ratings zahlten aufgrund des höheren Ausfallrisikos höhere Zinsen als solche mit Investment Grade. Banken, Fonds und Versicherungen zählen traditionell zu den wichtigsten Zeichnern von Schuldscheinen.
Da viele Schuldscheinemittenten überhaupt kein Rating haben, falle die Einschätzung der Bonität häufig schwer. Lediglich ein Viertel der emittierenden Unternehmen in Deutschland verfüge über ein öffentliches Rating, 75 Prozent von ihnen haben ein Investment Grade. Nicht geratete Emittenten sind im Durchschnitt deutlich weniger finanzstark, ergab die Scope-Stichprobe: Lediglich 40 Prozent von ihnen würden ein Investment Grade Rating bekommen. „Wenn die Zahl der Emittenten durchschnittlicher Bonität ohne Rating stark wächst, könnte das für den Schuldscheinmarkt auf Dauer ein Problem werden“, sagt Tölke: „Sofern sich Investoren kein fundiertes Urteil über die Kreditqualität der Emittenten machen können, könnte dies ähnlich negative Folgen haben wie am Markt für Mittelstandsanleihen, der nach anfänglichem Boom und mehreren Firmenpleiten um seine Reputation kämpft.“
Vor diesem Hintergrund könnten Emittenten günstigere Finanzierungskonditionen erzielen, wenn sie Investoren ihre Bonität mit einem Rating kommunizieren. Das gelte vor allem mit Blick auf internationale Anleger, die häufig keine ausreichenden Kapazitäten dafür haben, eigene Analysen anzufertigen. Die Bedeutung der Käufer aus dem Ausland für den deutschen Schuldscheinmarkt war zuletzt stark gewachsen: Während bis vor wenigen Jahren hierzulande nahezu 100 Prozent der Investoren aus dem deutschsprachigen Raum kamen, sind es heute nur noch 70 Prozent. „Vor allem asiatische Investoren legen ihr Geld vermehrt im europäischen und auch im deutschen Schuldscheinmarkt an“, so Tölke.
Quelle: Pressemitteilung Scope Ratings
Die 2002 gegründete Scope-Unternehmensgruppe ist eine bankenunabhängige Ratingagentur mit Sitz in Berlin. Sie ist auf das Rating von Unternehmen, Anleihen, Fonds und Zertifikaten spezialisiert. (mb1)