Überraschende Zinssenkung in Kanada
In einem für alle Marktteilnehmer völlig überraschenden Schritt hat die kanadische Notenbank den Leitzins von 1,00 Prozent auf 0,75 Prozent gesenkt. Von den bei Reuters oder Bloomberg befragten Analysten hatte keiner mit einer Senkung gerechnet, was zusammen mit dem steilen Kurseinbruch des Kanadischen Dollar auf ein Sechs-Jahres-Tief das Ausmaß der Überraschung unterstreicht. Dies berichtet Stefan Bielmeier, Bereichsleiter Research und Chefvolkswirt der DZ Bank AG.
In der Begründung verweise die Notenbank auf die negativen Folgen des Ölpreisverfalls sowohl für den Inflationsausblick als auch für die Konjunkturdynamik des stark von der Ölindustrie geprägten Landes. Weitere Schritte seien möglich, falls das Inflationsprofil und die Finanzstabilität dies erfordern sollten. Dass der Schritt nicht durch die entsprechende Rhetorik vorbereitet wurde, hinterlasse zusammen mit den neuen Projektionen der Bank of Canada (BoC) einen äußerst faden Beigeschmack, fast schon einen Eindruck von Panik, so Bielmeier. Die BoC scheine den Ölpreisverfall nicht für einen temporären Effekt zu halten, sondern befürchte langfristige strukturelle Anpassungen. Mit ihrem Lockerungsschritt sei Kanadas Notenbank in guter Gesellschaft unter den Zentralbanken weltweit, die sich in den letzten Monaten mehrheitlich in Richtung Expansion bewegt hätten. Allerdings sei Kanada die erste der großen Notenbanken, die nicht nur auf die im weiteren Jahresverlauf anvisierte Zinserhöhung verzichte (UK) oder selbige hinauszögere (Neuseeland), sondern die zu einer tatsächlichen Senkung greife und es mit der aktuellen Ölpreisentwicklung begründe.
Im Vergleich zur US-Geldpolitik könnte sich hingegen ein wichtiger Strukturwandel abzeichnen, der die Geschicke des Kanadischen Dollars auch jenseits des akuten negativen Zinsschocks belasten sollte: Dass die Ausrichtung der US-Notenbank tendenziell Richtung Zinserhöhungen gehe, während in Kanada gesenkt werde, sei aufgrund der engen Verflechtung der beiden Volkswirtschaften extrem ungewöhnlich. Neben der Erwartung eines anhaltenden Abwärtsdrucks auf den Kanadischen Dollar gelte es, auch die Ansteckungseffekte für andere, kleinere Währungen im Auge zu behalten, bei denen die Notenbank vor ähnlichen Herausforderungen (=Öl- bzw. rohstoffabhängige Wirtschaft plus Disinflationsdruck) stehe. Selbst wenn die Währungshüter beispielsweise in Norwegen oder Australien nicht tatsächlich zu Zinssenkungen greifen, drohe deren Sentiment in den kommenden Monaten von den Vorgaben aus Kanada belastet zu werden, so Bielmeier.
Quelle: „Bielmeiers Blog“ DZ Bank
Die DZ Bank AG Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank mit Sitz in Frankfurt am Main ist innerhalb des genossenschaftlichen Finanzsektors als Zentralinstitut für mehr als 900 Kreditgenossenschaften zuständig. Darüber hinaus ist die DZ Bank Geschäftsbank für Firmenkunden sowie für Institutionelle aus dem In- und Ausland. Wolfgang Kirsch ist seit September 2006 der Vorstandsvorsitzende der DZ Bank AG. (mb1)
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