Was ist besser: Artikel 6, Artikel 8 oder Artikel 9?
Seit dem 2. August dieses Jahres müssen Vermögensverwalter und Anlageberater ihre Kunden zu deren Nachhaltigkeitspräferenzen bei der Geldanlage befragen. Das rechtliche Rahmenwerk stellt Finanzdienstleister vor enorme Herausforderungen, so schreibt Samuel Kärcher, Analyst und Portfoliomanager bei der Eberhardt & Cie. Vermögensverwaltung, in einem Gastkommentar für das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA).
Neben den Anbietern sei es auch für Kunden schwierig, den Überblick zu behalten. Bei der Klassifizierung von Investmentfonds nach der SFDR-Offenlegungsverordnung wird unterschieden zwischen Artikel 6-, Artikel 8- und Artikel 9-Fonds. Ziel des Gesetzgebers sei es, Gelder zu lenken und so nachhaltiges Wachstum zu fördern. Es hat sich die Überzeugung verfestigt, Artikel 6-Fonds seien als „nicht nachhaltig“, Artikel 8-Fonds als „nachhaltig“ und Artikel 9-Fonds als „sehr nachhaltig“ einzustufen. Allerdings entstehe bei genauer Betrachtung ein anderes Bild.
Zur erstgenannten Fondsgruppe gehören jene Produkte, die keine spezifischen Nachhaltigkeitsziele verfolgen. Allerdings wird offengelegt, wie deren Verwalter mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen. Artikel 8-Fonds werben explizit mit der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien. Demzufolge muss dem Investmentprozess eine dezidierte Nachhaltigkeitsstrategie unterliegen, die für Dritte transparent, einsehbar und nachvollziehbar ist. Zusätzlich muss im Jahresbericht transparent darüber berichtet werden. Artikel 9-Produkte verfolgen ein konkretes messbares Nachhaltigkeitsziel. Regelmäßige Reportings über die Erfüllung der Ziele sind bei derartigen Produkten Pflicht. Insbesondere beim Vergleich zwischen Artikel 8- und Artikel 9-Produkten halte sich wacker die Titulierung, erstere seien „hellgrün“ und die anderen „dunkelgrün“, was eine „nachhaltigere“ Investition impliziert. Das sei falsch. Ein Beispiel zur Illustration: Der Artikel-9-Fonds „Grüne Energie“ verfolgt das Nachhaltigkeitsziel, durch seine Investitionen in Unternehmen den globalen CO2-Ausstoß zu verringern. Es wird insbesondere in Solar-, Wind- und Wärmepumpentechnik investiert. Der Artikel-8-Fonds „Fair World“ investiert weltweit in über 90 Prozent aller Branchen hinweg. Ausgeschlossen werden vereinzelt kontroverse Branchen (wie beispielsweise Tabak). Darüber hinaus wird innerhalb jeder Branche nur in die nachhaltigsten 40 Prozent der Unternehmen investiert, in Bezug auf die Bereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung.
Nur weil ein Unternehmen Windkrafträder produziert oder Wärmepumpen herstellt, müsse es nicht gleichzeitig vorbildlich mit seinen Mitarbeitern oder Lieferanten umgehen. Trotzdem würde das in diesem Beispiel keine Rolle spielen. Wenn ein Fonds nach Artikel 9 klassifiziert ist, heiße es nicht gleichzeitig, dass dieser nachhaltiger ist als jeder beliebige Artikel 8-Fonds.
Letztendlich sei ein Vergleich zwischen diesen beiden Produktgruppen hinsichtlich Nachhaltigkeitseinstufung ein Vergleich von Äpfeln und Birnen. Es handele sich um zwei völlig unterschiedliche Strategien, die wiederum sehr individuell formuliert sein können. Damit Anleger sich ein Urteil bilden können, ob ein Fonds nach den eigenen Nachhaltigkeitspräferenzen beziehungsweise Vorstellungen investiert, reiche es nicht, die SFDR-Klassifizierung zu betrachten. Sie müssten sich darüber hinaus mit den Details der Nachhaltigkeitsstrategie auseinandersetzen. Ein seriöser Indikator, um die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten zu bewerten, sei zum Beispiel das FNG-Siegel. Dabei werden die Produkte einer umfangreichen Analyse hinsichtlich der Umsetzung im Investmentprozess unterzogen, um Greenwashing zu vermeiden. (DFPA/mb1)
Das Deutsche Institut für Altersvorsorge GmbH (DIA) mit Sitz in Frankfurt am Main hat das Ziel, Wissen und Kompetenz der Deutschen auf dem Gebiet der privaten Altersvorsorge zu fördern. Gesellschafter des DIA sind die Deutsche Bank AG, DWS Group, BHW Bausparkasse und die Zurich Gruppe Deutschland.