Wohlstand steigern, Ungleichheit verringern: Vermögensbildung als Querschnittsaufgabe der Politik
Der Anlagenotstand der Bürger ist groß. Von den brutto über sieben Billionen Euro Geldvermögen, über das die Deutschen nach Angaben der Bundesbank verfügen, stecken rund 40 Prozent in niedrig oder gar nicht rentierlichen Anleihen oder liegen auf Bankkonten. Nur gut ein Fünftel ist in Aktien oder Investmentfonds angelegt, wobei von den rund zehn Prozent in Fonds investierten Geldern wiederum nur etwa ein Drittel Aktienfonds sind. Vermögensaufbau ist bei dieser Anlagestruktur nicht zu erwarten, obwohl er für die Altersvorsorge oder den Erwerb von Wohneigentum eigentlich dringend benötigt würde, so heißt es in einem Gastbeitrag von Dr. Hans-Jörg Naumer, Leiter Global Capital Markets and Thematic Research, Allianz Global Investors, für den Bundesverband deutscher Banken (Bankenverband).
Der Anlagenotstand der Bürger treffe auf den Kapitalnotstand des Staates, der seit der Corona-Krise vor noch größeren finanziellen Herausforderungen steht als davor. Denn es bedürfe öffentlicher Investitionen und staatlicher Ausgaben weit über die Bewältigung der Corona-Folgen hinaus: für die Transformation zu einer nachhaltigen, CO2-neutralen Volkswirtschaft, die Förderung des technologischen Wandels in der Industrie 4.0 und den Ausbau der digitalen wie der Verkehrsinfrastruktur.
Was liege in dieser Situation näher als den Kapitalnotstand des Staates mit dem Anlagenotstand der Bürger zu lösen? Warum nicht den Bürgern ermöglichen, dass sie ihr im Geldvermögen schlummerndes Kapital aktivieren? Zum Beispiel, indem sich private Investoren direkt an Infrastrukturinvestitionen privater und öffentlicher Projektoren beteiligen können. In der Erwartung einer Rendite, die über jener von Staatsanleihen liegt. Und bei einer Volatilität, die niedriger ist als bei Aktien. Wenn beispielsweise Datenautobahnen im Standortwettbewerb dringend gebraucht werden, warum sollten sie nicht auch denen gehören, für die sie die Daten transportieren? Die Beteiligung an (öffentlichen) Investitionen kann zu einer tragenden Säule der Vermögensbildung werden.
Eine weitere Säule der Vermögensbildung sollte in der stärkeren Förderung von Wohneigentum bestehen. Diesem komme eine wichtige Rolle für die soziale Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu und sei gerade in einer Zeit steigender Immobilienpreise und Mieten eine wichtige soziale Aufgabe. Doch Fakt sei: Mit einer Wohneigentumsquote unter 50 Prozent nimmt Deutschland im Vergleich mit anderen Industriestaaten einen der hinteren Plätze ein. In Berlin besitzen gar nur 16 Prozent der Einwohner die vier Wände, in denen sie leben. In Anbetracht dieser Zahlen müsse darüber nachgedacht werden, wie Menschen zu mehr Wohneigentum verholfen werden kann. In einem ersten Schritt gehe es um die Reduktion von Kosten und Auflagen beim Wohnungsbau.
Kapital müsse auch für die Altersvorsorge aktiviert werden, zum Beispiel indem es vermehrt in Sachkapital, auch Aktien, investiert wird. Um den Vermögensaufbau ebenso jenen zu ermöglichen, die nur wenig zurücklegen können, sollte es erlaubt sein, Abzüge für die gesetzliche Rentenversicherung auf freiwilliger Basis zu verringern, damit Teile der Rentenbeiträge in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge investiert werden können.
Das Fazit: Die Förderung der Vermögensbildung sei eine Querschnittsaufgabe der Politik. Privates Kapital kann für Infrastrukturmaßnahmen aktiviert werden, deren zu erwartend höhere Rendite beim Vermögensaufbau und der Altersvorsorge hilft, während gleichzeitig die Regionen gestärkt und mehr privates Wohneigentum ermöglicht wird. Die sozialpolitischen Aspekte stärkten damit Deutschland gleichzeitig auch für den internationalen Standortwettbewerb. (DFPA/mb1)
Der Bundesverband deutscher Banken (Bankenverband) hat seinen Hauptsitz in Berlin. Im Bankenverband sind mehr als 170 private Banken, rund 30 außerordentliche Mitglieder wie etwa Fintechs und elf Landesverbände zusammengeschlossen.