Zinsanstieg trifft bald auch US-Unternehmen
Knapp 18 Monate sind vergangen, seit die Fed den schärfsten Zinserhöhungszyklus seit 40 Jahren eingeleitet hat. Die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen stiegen daraufhin um zwei bis vier Prozentpunkte. Die Auswirkungen dieses restriktiven Impulses auf die Realwirtschaft sind aber bislang bescheiden. Von Wachstumsabkühlung ist selbst im dritten Quartal 2023 bislang wenig zu sehen, schreibt Dr. Daniel Hartmann Chefvolkswirt beim Asset Manager Bantleon, in einem aktuellen Marktkommentar. Es scheine so, als sei die US-Wirtschaft derzeit immun gegen steigende Zinsen.
Tatsächlich zeigen die Daten aus der Volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung und den Unternehmens-Bilanzen, dass die Unternehmen vor Beginn des Straffungszyklus so solide aufgestellt waren wie selten zuvor. Als Folge davon haben die gestiegenen Zinsen bislang lediglich in Teilen der Wirtschaft – etwa dem Immobilienmarkt – Bremsspuren hinterlassen. Viele Firmen haben von dem Zinsanstieg zunächst sogar profitiert – speziell solche mit guter Liquiditätsausstattung: Unternehmen wie Apple, Microsoft und Alphabet haben auf ihre Cash-Bestände unmittelbar höhere Zinseinnahmen kassiert, bei den Schulden aber noch von den im Niedrigzinsumfeld abgeschlossenen lang laufenden Altverträgen profitiert. Die Netto-Zinszahlungen sind daher sogar gesunken. Bei Alphabet lagen sie im zweiten Quartal 2023 um mehr als 400 Millionen US-Dollar niedriger als ein Jahr zuvor. Es stelle sich die Frage, ob die Unternehmen am Ende sogar Gewinner der Fed-Politik sind.
Aus Sicht von Hartmann sei dieser Schluss voreilig. Der positive Zinseffekt für die Unternehmen dürfte sich in den nächsten Monaten nicht nur abschwächen, sondern vielmehr umkehren. Die Zinsausgaben werden steigen, weil auslaufende Kredite und Anleihen nur zu schlechteren Konditionen refinanziert werden könnten. Gleichzeitig habe die Gewinnkompression bei den amerikanischen Unternehmen bereits eingesetzt. In der Folge schmelzen die Cash-Bestände, was sinkende Zinseinnahmen nach sich ziehe.
Darüber hinaus belaste die restriktive Geldpolitik noch über zahlreiche weitere Kanäle die Realwirtschaft. Erstens haben die Banken nicht nur die Zins-, sondern auch die übrigen Kredit-konditionen gestrafft, zum Beispiel die Anforderungen an zu hinterlegende Sicherheiten. Zweitens treffe der restriktive Impuls der Geldpolitik neben Unternehmen auch verschuldete Privatpersonen. Früher oder später laufe dort ebenfalls die Zinsbindung von Hypotheken- und Konsumentenkrediten aus. Drittens sei bei der Bewertung neuer Investitionsprojekte die aktuelle und nicht die vergangene Zinsbelastung entscheidend. Viertens habe die Fed nicht nur den Leitzins angehoben, sondern kürzt auch ihr Bilanzvolumen. Der Abzug der Notenbankliquidität aus den Finanzmärkten belaste alle Vermögenswerte.
Diese Liste könnte noch fortgesetzt werden, aber auch so sei klar, dass sich das monetäre Umfeld auf allen Ebenen verschlechtert. Wann genau die belastenden Kräfte groß genug sind, um der Wirtschaft nachhaltig zu schaden, lasse sich nicht genau sagen. Die restriktiven Impulse dürften aber spätestens nach zwei Jahren ihre volle Wirkung entfalten. Zwischen Ende 2023 und Mitte 2024 sollte deshalb der konjunkturelle Gegenwind auch in den USA massiv zunehmen. Dann dürfte laut dem Experten eine Flucht in die sicheren Häfen einsetzen. In der Folge werden die Renditen von US-Staatsanleihen wieder deutlich fallen und Anlegern attraktive Kursgewinne bescheren, so Hartmann abschließend. (DFPA/JF1)
Die Bantleon AG ist ein Asset Manager für institutionelle Investments mit Fokus auf Kapitalerhalt.