Zinskommentar: "Gibt Norwegen den Startschuss für eine geldpolitische Wende?"
Die norwegische Zentralbank (Norske Bank) hat als erste westliche Notenbank seit Ausbruch der Pandemie ihren Leitzins angehoben. Norwegen geht damit den Schritt, den sich bisher andere Notenbanken nicht getraut haben. Doch ist Norwegen überhaupt vergleichbar mit dem Rest Europas und beruht die Entscheidung auf denselben volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen? Auf diese Fragen geht der aktuelle Zinskommentar von Neuwirth Finance ein, Vermittler von Immobilienfinanzierungen.
Auch wenn es bereits in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Brasilien, Zinsanpassungen gab, sei Norwegen das erste Land unter den zehn am meisten gehandelten Währungen, das eine derartige geldpolitische Straffung vornimmt. Die norwegische Zentralbank hob den Leitzins von 0 Prozent auf 0,25 Prozent und deutete an eine weitere Anhebung im Dezember vorzunehmen. Ebenso strebe die skandinavische Notenbank bis Ende 2024 einen Leitzins von1,7 Prozent an. Wie lässt sich die norwegische Geldpolitik im Kontext der anderen europäischen Notenbanken einordnen?
Grundsätzlich lasse sich feststellen, dass die norwegische Notenbank in den vergangenen Jahren gegenüber den anderen europäischen Notenbanken eine restriktivere Geldpolitik gefahren ist. Das norwegische Leitzinsniveau lag bisher oft an der Spitze Europas. Damit sei die jüngste Zinsanpassung keine Überraschung, sondern ein zu erwartender Schritt. Die derzeit expansivste Geldpolitik verfolgt die Schweizer Nationalbank (SNB) mit einem Leitzins von minus 0,75 Prozent. Die Notenbank Schwedens (Sveriges Riksbank), sowie die Europäische Zentralbank (EZB) setzen auf eine Nullzinspolitik. Die britische Notenbank (BoE) liegt mit 0,1 Prozent leicht über dem Leitzins der EZB und der schwedischen Notenbank.
Die Entscheidung der norwegischen Notenbank geschehe in einem wirtschaftlichen Umfeld, das (in gewissen Bereichen) seinesgleichen suche. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei 2,7 Prozent und damit 4,9 Prozentpunkte unter der Arbeitslosenquote der Eurozone. Inzwischen befinde sich die norwegische Wirtschaft bereits über dem Vorkrisenniveau. Gerade die anziehende Produktion von Öl und Fisch trug dazu ihren Teil bei. Zudem holen viele Norweger in der Pandemie entgangenen Konsum nach, was sich in der derzeitigen Preisentwicklung widerspiegele. Die Inflation lag zuletzt bei 3,4 Prozent und damit über der Preisentwicklung aller anderen europäischen Währungsräume.
Die Entscheidung der norwegischen Notenbank werde sicherlich die aktuelle Debatte um ein Zurückfahren der geldpolitischen Expansion befeuern. Ob es zu einer Welle von Zinserhöhungen in ganz Europa führen wird, sei fraglich. Der Schweizer Notenbank seien angesichts einer zu starken Währung und einer moderaten Preisentwicklung die Hände gebunden. Die schwedische Notenbank gab bekannt bis 2024 die Zinsen nicht anheben zu wollen. Die Europäische Zentralbank habe bisher keine Anzeichen einer baldigen Zinserhöhung gemacht. Einzig hinsichtlich der britischen Notenbank scheine eine baldige Zinserhöhung realistisch. Einige Analysten hielten eine Zinsanpassung im Februar nächsten Jahres für denkbar. Norwegen solle lediglich als Hinweis, jedoch nicht als tatsächlicher Vorbote einer breiten geldpolitischen Normalisierung verstanden werden. (DFPA/mb1)
Die Neuwirth Finance GmbH wurde 2001 gegründet und ist ein unabhängiges Beratungshaus. Die Kernkompetenz der Gesellschaft mit Sitz in Starnberg liegt im Bereich der flexiblen Immobilienfinanzierung.