Zinskommentar: "Kanada zieht nach, Amerika stagniert"
Die kanadische Notenbank erhöhte im September bereits zum zweiten Mal dieses Jahr ihre Leitzinsgröße und liegt nun in etwa gleichauf mit dem Nachbar USA. Die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) hingehen entschied in ihrer Sitzung am 19./20. September 2017 den veranschlagten Zinskorridor nicht weiter anzuheben. Mit der Entscheidung der Bank of Canada sei zwar ähnlich wie in den USA der Abschied von einer ultralockeren Geldpolitik eingeleitet, aber noch längst keine Zinswende. Worauf sich die Zinsanhebung in Kanada stützt und warum die Fed noch zögert die Zinsen weiter anzuheben, beschreibt Kurt Neuwirth, Geschäftsführer von Neuwirth Finance, in einem Zinskommentar.
Binnen weniger Wochen stieg der Leitzins in Kanada aufgrund von soliden Arbeitsmarktdaten und starkem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent auf nun ein Prozent. So werde besonders der florierende Immobilienmarkt in Schach gehalten, auch wenn das Wachstum von 4,5 Prozent im zweiten Quartal keinen Anlass zur Sorge gegeben habe. Ebenso habe die kanadische Notenbank bewusst die Aufwertung des Kanadischen Dollars (Loonie) ignoriert, die seit Mai 2017 zu beobachten ist. Viele kanadische Exportunternehmen würden in US-Dollar abrechnen, womit die Ausfuhren durch den schwachen US-Dollar quantitativ eher gestärkt werden könnten, wohingegen die Gewinne in Loonie gedrückt werden. Am Ende bleibt es laut Neuwirth ein Nullsummenspiel, womit der sonst negative Effekt einer zu starken Währung auf die Exporte wahrscheinlich in diesem Fall vernachlässigbar sei.
In den USA zieht sich der Abschied von einer ultralockeren Geldpolitik nun schon fast über zwei Jahre. Dieses Jahr erhöhte die Fed den Zinskorridor zwei Mal. Derzeit liegt dieser bei einem Prozent und 1,25 Prozent. Im Oktober will die Fed die angehäuften Anleihen im Wert von 4,5 Billionen Dollar langsam abstoßen und auslaufende Anleihen nicht ersetzen. Das Tempo der bilanziellen Verkleinerung ist noch nicht beschlossen. Die Fed plant in etwa zehn Milliarden Dollar weniger pro Monat für Anleihen auszugeben. Bis in zwei Jahren sollen es in etwa 50 Milliarden Dollar sein. Die Anpassung werde langsam erfolgen, um den Markt nicht zu sehr zu schocken. Die Ankündigung ließ die Börse bislang kalt.
Laut Projektionen der Fed liegt der Federal Funds Rate Ende 2019 bei 2,7 Prozent und Ende 2020 bei 2,9 Prozent. Behält die amerikanische Notenbank ihr bisheriges Tempo bei und die Wirtschaftsdaten bleiben unverändert, ist laut Neuwirth für nächstes Jahr mit drei weiteren Zinsanhebungen zu rechnen. Ob die Fed noch dieses Jahr den Zinskorridor anhebt, werde sich vermutlich erst im Dezember entscheiden. „Kanada und die USA nutzen die Gunst der Stunde und verabschieden sich langsam von allen unkonventionellen Maßnahmen nach der Krise. Die Währungsunion scheint zu einem Dauerpatienten zu werden, die ohne die ,lebensnotwendigen‘ Medikamente der Europäischen Zentralbank nicht stabil bleiben kann. Nichtsdestotrotz angesichts der Projektionen der Fed sind die Tage von Zinsen über vier Prozent ausgezählt“, so Neuwirth.
Quelle: Zinskommentar Neuwirth
Die Neuwirth Finance GmbH wurde 2001 gegründet und ist ein unabhängiges Beratungshaus. Die Kernkompetenz der Gesellschaft mit Sitz in Starnberg liegt im Bereich der flexiblen Immobilienfinanzierung. (JF1)