Zinsstillstand bei der EZB
Mit Spannung wurde die erste geldpolitische Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) erwartet. Kommt eine erste Zinssenkung? Doch EZB-Präsidentin Christine Lagarde verkündete, dass der Leitzins in der Eurozone erstmal bei 4,5 Prozent verbleibt. Von Zinssenkung keine Rede. Die Reaktionen von Marktteilnehmern:
„Obwohl die EZB noch nicht mit den Marktprognosen übereinstimmt, die einen raschen Zinssenkungszyklus als unmittelbar bevorstehend ansehen, hat sie einen leicht zurückhaltenden Ton angeschlagen. In den jüngsten Stellungnahmen wurden die gesunkenen Inflationserwartungen und die anhaltend starke Durchdringung der strafferen Geldpolitik auf die Verbraucherpreise anerkannt. Lagarde wollte sich zwar nicht zu einer möglichen Zinssenkung im Sommer äußern, aber wir glauben, dass sie tatsächlich bevorsteht“, meint Felix Feather, Volkswirt beim britischen Vermögensverwalter abrdn.
Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz kommentiert: „Die EZB hat ihren abwartenden geldpolitischen Kurs bestätigt. Der Ausblick für Konjunktur und Inflation hat sich aus Sicht der Ratsmitglieder wenig verändert. Besonderes Augenmerk schenkt die EZB weiterhin der nach wie vor dynamischen Lohnentwicklung und sieht erste Zinssenkungen nicht vor Jahresmitte. Die EZB bleibt damit vorsichtiger in ihren Zinssignalen als die FED.“ Die derzeit sehr schwachen Konjunkturdaten werden diese Positionierung in den kommenden Monaten allerdings weiteren Tests unterziehen. Erstmals könnte die EZB am Ende früher die Zinsen senken als die FED, meint Dr. Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz.
Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa bei der DWS Group, meint: „Wie weithin erwartet hat die EZB die Leitzinsen unverändert gelassen. Inzwischen sind die Inflationsraten weit genug zurückgegangen, dass keine weitere Zinsschritte nach oben nötig sind. Senken braucht die EZB die Zinsen aber auch noch nicht, dafür sind die wirtschaftlichen Aussichten noch nicht schlecht genug. Auch wenn die aktuellen Konjunkturdaten nahelegen, dass die Wachstumsprognose der EZB für das laufende Jahr noch zu hoch ist, geht die EZB derzeit nicht von einer Rezession aus.“
„Der Markt dürfte berücksichtigen, dass die EZB den Abwärtstrend der Kerninflation bestätigt und dass die erschwerten Finanzierungsbedingungen die Nachfrage bremsen. Die EZB bestätigt, dass mehr Informationen erforderlich sind, um etwas an ihrem mittelfristigen Inflationsausblick zu ändern. Eine Zinssenkung wird es daher in nächster Zeit nicht geben. Die EZB dürfte bis April abwarten“, meint Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income beim US-amerikanischen Vermögensverwalter Neuberger Berman.
Nicolas Forest, CIO des Vermögensverwalters Candriam, kommentiert: „Mit einem Zinssatz von vier Prozent und einer Inflation von unter drei Prozent ist die Geldpolitik weiterhin restriktiv – und die Frage nach dem Zeitpunkt der ersten Lockerung bleibt offen. Die Marktteilnehmer erwarten eine erste Zinssenkung im Sommer. Das bestätigte auch Christine Lagarde: Sie werde sich mit der Lockerung der Geldpolitik Zeit lassen. Dabei seien die Wirtschaftsdaten wichtiger als ein Zeitplan.“ (DFPA/ ljh1)