Zukunft ohne Aufsicht? Decentralised Finance als Herausforderung für die Finanzaufsicht
Es klingt wie eine Utopie: Wer kurzfristig ein Darlehen benötigt, findet dieses innerhalb von Sekunden im Internet. Nicht bei einer Direktbank, nicht bei einem Fintech – sondern bei einem pseudonymen Kollektiv tausender Personen aus der ganzen Welt. „Decentralised Finance“ (DeFi) lautet das Zauberwort. Was mit Kryptowerten wie dem Bitcoin oder Ether begann, hat sich inzwischen zu einem ganzen Ökosystem entwickelt. Darauf verweist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
Auf Grundlage der Distributed-Ledger-Technologie betreiben pseudonyme Nutzer Tausch- oder Handelsplattformen für Kryptowerte. Sie können diese gegen Gebühr leihen oder verleihen, Versicherungen abschließen, derivative Produkte erwerben oder ihre Kryptowerte verwalten lassen. Herkömmliche Angebote des Finanzmarkts, die mit einer neuartigen, für viele laut BaFin schwer zu erfassenden Technologie gekoppelt werden – selbstverwaltet, dezentral, abseits des traditionellen Finanzsystems.
Utopie? Oder doch eher Dystopie? An wen kann ich mich wenden, wenn ich mein Krypto-Darlehen stunden will? Was passiert, wenn meine Kryptowerte plötzlich ganz verschwinden? Einen Einlagensicherungsfonds gebe es für solche Fälle nicht. Die Praxis zeige auch: Ganz so basisdemokratisch und uneigennützig, wie die Fans der Szene es darstellen, sei DeFi nicht. Die Szene sei reich an technischen Problemen, Hacks und betrügerischen Aktivitäten. Schäden im dreistelligen Millionen-Bereich seien keine Seltenheit. Bei aller Begeisterung für die technischen Innovationen, die DeFi möglich machen: Die Verwendung einer neuen Technologie für den Kundenkontakt führe nicht dazu, dass dieses Geschäftsmodell einen regulatorischen Freibrief bekommt. Wer in einem Land erlaubnispflichtige Dienstleistungen erbringt, der unterliege dem dortigen Aufsichtsrecht. Noch sei der DeFi-Markt zwar ein Nischenmarkt. Wenn DeFi aber eine echte Konkurrenz zum traditionellen Finanzmarkt werden soll, dann werde dies nicht ohne spezifische neue Regulierung funktionieren.
Klar sei: Die Uhr tickt. Je länger der DeFi-Markt unbeaufsichtigt bleibt, umso mehr steige das Risiko für die Verbraucher. Und umso größer sei die Gefahr, dass sich kritische Angebote etablieren, die eine systemische Relevanz haben. Laut BaFin sollten deshalb aktiv regulatorische Eckpunkte für neue Angebote gesetzt und es damit innovativen Anbietern ermöglicht werden, ihre Angebote rechtssicher umzusetzen. Die Einführung des Kryptoverwahrgeschäfts zeige: Innovative Regulierung könne sogar besondere Anziehungswirkung entfalten. Im Idealfall wären solche Vorgaben natürlich EU-weit einheitlich, um einen fragmentierten Markt zu verhindern und das gesamte Innovationspotenzial Europas zu heben. Ergebnis regulatorischer Überlegungen könne aber natürlich nicht sein, dass etablierte Standards aufgeweicht oder DeFi-Angebote regulatorisch bessergesellt werden als vergleichbare Angebote des traditionellen Finanzmarktes. (DFPA/mb1)
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist eine selbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts mit Sitz in Bonn und Frankfurt am Main. Sie vereinigt die Aufsicht über Banken und Finanzdienstleister, Versicherer und den Wertpapierhandel unter einem Dach. Ihr Hauptziel ist es, ein funktionsfähiges, stabiles und integres deutsches Finanzsystem zu gewährleisten.