Das Wichtigste zur neuen Stablecoin-Regulierung der MiCAR

Dr. Hendrik Müller-Lankow
Dr. Hendrik Müller-Lankow

Gastbeitrag von RA Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL. M. (UCL)

Mit der „Markets in Crypto-Assets Regulation (MiCAR)“ hat der europäische Gesetzgeber einen einheitlichen EU-Rahmen für die Regulierung von Kryptowerten geschaffen. Die Regulierung umfasst auch E-Geld-Token und vermögenswertereferenzierte Token, die allgemein als „Stablecoins“ bezeichnet werden. Insoweit sind die Regelungen der MiCAR am 30.6.2024 in Kraft getreten.

MiCAR ist ein Quantensprung, weil die Regulierung von Kryptowerten bisher europaweit zerklüftet war. Europäischen Anbietern ist es nun möglich, Stablecoins in einem rechtssicheren Rahmen zu emittieren und europaweit zu vermarkten.

Das kann ein durchaus lukratives Geschäft sein, wie ein Blick auf die Gewinne von Tether und Circle verrät. Es verwundert also nicht, dass auch große europäische Player ein Interesse haben, sich auf dem Markt zu positionieren. So möchte etwa die DWS in einem Joint Venture mit Flow Traders und Galaxy Digital einen E-Geld-Token unter dem Label „AllUnity“ emittieren.

Was unterscheidet Stablecoins von Kryptowährungen?

Stablecoins und herkömmliche Kryptowährungen weisen wichtige Gemeinsamkeiten auf. In technischer Hinsicht handelt es sich in beiden Fällen um passive Datensätze, die auf einer Blockchain bzw. einem Distributed Ledger dezentral gespeichert und Nutzern zugeordnet sind und von diesen nach dem jeweiligen Konsensmechanismus übertragen werden können. In funktioneller Hinsicht können sowohl Stablecoins als auch Kryptowährungen als Zahlungsmittel im Waren- und Dienstleistungsverkehr verwendet werden.

Das entscheidende Abgrenzungsmerkmal ist die Wertstabilität. Kryptowährungen haben keinen intrinsischen Wert. Ihr Wert speist sich alleine aus Angebot und Nachfrage, die an diversen Kryptohandelsplätzen, bspw. der Börse Stuttgart Digital Exchange, miteinander interagieren können. Aus diesem Grund kann der Marktwert von Kryptowährungen sehr volatil sein, d.h. es kann zu heftigen Preisschwankungen kommen.

Die Idee des Stablecoin ist demgegenüber dessen Wertstabilität in Bezug auf einen Referenzwert. Wertstabilität bedeutet wiederum, dass sich Stablecoin und Referenzwert stets wertmäßig entsprechen, d.h. in einem festgelegten Verhältnis gegeneinander eingetauscht werden können, beispielsweise 1:1. So soll man für einen TetherUSD (USDT) am Markt stets einen US-Dollar (USD) erhalten können, ungeachtet möglicher Transaktionskosten. Referenzwerte können neben Währungen insbesondere auch Edelmetalle (z.B. Gold) sein.

Die Krux beim Stablecoin ist jedoch die Frage, wie die Wertstabilität erreicht werden soll. Es bedarf eines Mechanismus, durch welchen Vertrauen bzw. die Bereitschaft des Marktes geschaffen wird, ohne Spekulationsinteresse eine „harte Währung“ in einen Stablecoin zu tauschen.

Beispiel Tether: Der bis dato erfolgreichste Stablecoin

Tether ist das bis dato wohl erfolgreichste Stablecoin-Projekt. Die Marktkapitalisierung des gewichtigsten Stablecoin im Tether-Universum, dem TetherUSD (USDT), liegt nach den Angaben von CoinMarketCap mit ca. 112 Mrd. USD (Stand: 12.6.2024) nach Bitcoin (BTC) und Ethereum (ETH) an dritter Stelle. Damit ist dieser Stablecoin seit seiner erstmaligen Emission im Jahr 2014 auf eine beachtliche Größe angewachsen.

Tether-Token können an verschiedenen Handelsplattformen zu dem jeweiligen Marktpreis erworben werden. Die originäre Ausgabe der Token erfolgt jedoch direkt bei Tether über deren Website. Dort können sich Nutzer ein Konto anlegen, ihre Identität verifizieren und, im Falle von TetherUSD, Token i.H.v. mind. 100.000 Stück gegen eine Ausgabeentgelt von 0,1% des ausgegebenen Betrages erwerben.

Ein wesentliches Ausgestaltungsmerkmal der Tether-Token ist die Bildung einer Vermögensreserve mind. in Höhe der entgegengenommenen Gelder. Die genaue Zusammensetzung der Vermögensreserve ist weder gesetzlich noch vertraglich reguliert und erfolgt nach dem Ermessen von Tether. In von BDO Italia geprüften quartalsweisen Consolidated Reserves Reports legt Tether den Bestand und die Zusammensetzung der Vermögensreserve offen.

In der historischen Betrachtung hat sich Tether als wertstabil erwiesen. Der an Handelsplattformen ermittelte Preis für einen TetherUSD weist eine minimale Schwankung um einen US-Dollar und nahezu keinen Spread auf. Das spricht für ein hohes Vertrauen des Marktes in den Stablecoin. Selbst in der Zeit des Zusammenbruchs des Stablecoin Terra im Mai 2022 (siehe sogleich) fiel der Marktpreis des TetherUSD kurzzeitig lediglich auf ca. 0,95 US-Dollar zurück, erholte sich dann aber wieder schnell.

In institutioneller Hinsicht bezeichnet „Tether“ eine Unternehmensgruppe mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln. Auch der vertragliche Gerichtsstand für nicht in den USA ansässige Token-Inhaber befindet sich auf dem karibischen Inselstaat.

Beispiel Terra: Ein Fall für die Staatsanwaltschaft

Terra ist ein Distributed-Ledger-Netzwerk, welches von der in Singapur ansässigen, mittlerweile aber insolventen, Terraform Labs Pte. Ltd. entwickelt und im Jahr 2019 in Betrieb gesetzt wurde. Das Netzwerk diente unter anderem der Entwicklung bzw. Emission von Stablecoins. Der erfolgreichste darunter war TerraUSD (UST), ein algorithmischer Stablecoin, der nach seinem Zusammenbruch im Mai 2022 in TerraClassicUSD (USTC) umbenannt wurde und auf Handelsplattformen aktuell noch bei nur noch ca. 0,03 US-Dollar gehandelt wird.

Die Wertstabilität bzw. das Vertrauen des Marktes in die Wertstabilität des TerraUSD basierte, anders als beim TetherUSD, nicht auf einer Vermögensreserve, sondern im Kern auf einem netzwerkimmanenten Tauschmechanismus. Im Rahmen des Tauschmechanismus waren Netzwerknutzer über einen Smart Contract stets in der Lage, die dem Terra-Netzwerk native Kryptowährung Luna (LUNA) in TerraUSD zu tauschen, und umgekehrt. Das Umtauschverhältnis war nicht festgelegt und entsprach dem jeweils aktuellen Wechselkursverhältnis der Kryptowährung Luna zum US-Dollar. Darüber hinaus hing die Wertstabilität aber auch von der Tätigkeit von Arbitrageuren ab, die z.B. bei einem zu niedrigen TerraUSD-Wert diesen gekauft und sodann umgetauscht haben.

Die Anfälligkeit von Terra für Vertrauensschwankungen am Markt wurde erstmals im Mai 2021 sichtbar, als die Marktpreise des TerraUSD auf annähernd 0,90 US-Dollar fielen, sich aber wieder erholen konnten. Der endgültige Zusammenbruch ereignete sich dann ein Jahr später im Mai 2022, als sowohl Luna als auch TerraUSD innerhalb weniger Tage nahezu wertlos wurden und sich seitdem auch nicht mehr erholt haben.

Über die genauen Gründe des Niedergangs herrscht Unklarheit. Eines dürfte jedoch feststehen: Stablecoins, deren Wertstabilität nicht über eine Vermögensreserve in dem jeweiligen Referenzwert erreicht werden soll, scheinen kein nachhaltiges Modell zu sein. Mit dem Terra-Crash hat sich ein Marktwert von ca. 40 Mrd. US-Dollar in Luft aufgelöst. Gegen die Gründer wird strafrechtlich ermittelt und diverse Schadensersatzklagen sind anhängig.

Regulierung von E-Geld-Token

„E-Geld-Token“ ist ein Begriff der neuen MiCAR-Regulierung und bezeichnet Stablecoins, deren Wert an eine Währung gekoppelt ist, wie dies beispielsweise bei TetherUSD der Fall ist. Der E-Geld-Token unterscheidet sich vom „vermögenswertereferenzierten Token“, der letztendlich alle anderen Formen von Stablecoins umfasst, bspw. Gold-Stablecoins.

Emission und Angebot von E-Geld-Token in der EU sind grds. nur durch einen elitären Kreis möglich: regulierte Kreditinstitute und E-Geld-Institute. Der Emittent hat für das öffentliche Angebot von E-Geld-Token ein Kryptowerte-Whitepaper zu erstellen, welches der Information der Anleger dient. Dieses ist vergleichbar mit dem bereits bekannten Prospekt für Wertpapieremissionen.

Kernstück der neuen Regulierung sind die Vorgaben zur Sicherung und Anlage der entgegengenommenen Gelder. E-Geld-Institute unterliegen spezifischen Vorgaben, etwa der Verpflichtung zur Sicherung des Reservevermögens auch im Falle einer Insolvenz. Zudem sind Gelder besonders liquide anzulegen, damit der Emittent jederzeit fähig ist, die ausgegebenen Token in Geld zurückzutauschen. Mind. 30% sind auf Geldkonten anzulegen. Darüber hinaus können etwa auch bestimmte Staatsanleihen mit guter Bonität erworben werden. Kreditinstitute unterliegen diesen Vorgaben jedoch nicht, weil sie bereits die hohen Anforderungen der Capital Requirements Regulation (CRR) zu erfüllen haben.

Regulierung von vermögenswertereferenzierten Token

Neben dem E-Geld-Token kann der Stablecoin auch als vermögenswertereferenzierter Token in Erscheinung treten, beispielsweise wenn seine Wertstabilität durch Bezugnahme auf Gold erreicht werden soll. Das Recht der Regulierung von vermögenswertereferenzierten Token ähnelt demjenigen zur Regulierung von E-Geld-Token sehr stark.

Im Unterschied zum E-Geld-Token ist der Kreis potenzieller Emittenten weniger elitär. Neben CRR-Kreditinstituten dürfen auch sonstige Unternehmen vermögenswertereferenzierte Token öffentlich anbieten, sofern letztere hierfür eine Zulassung erhalten haben. In den Kreis der sonstigen Unternehmen fallen insb. auch E-Geld-Institute, die anders als bei E-Geld-Token, nicht mehr allein aufgrund ihrer Institutseigenschaft privilegiert sind.

Auch beim Angebot von vermögenswertereferenzierten Token ist die Erstellung eines Whitepapers erforderlich, welches zu veröffentlichen ist. Im Unterschied zu E-Geld-Token ist jedoch die Genehmigung des Whitepapers durch die BaFin erforderlich.

Während bei E-Geld-Token Kreditinstitute grds. nicht den Vorgaben der MiCAR zur Sicherung und Anlage entgegengenommener Gelder unterliegen, ist dies bei vermögenswertereferenzierten Token nicht der Fall. Dort sind alle Emittenten, egal ob Kreditinstitut oder sonstiges Unternehmen, verpflichtet, die Vermögenswertreserve insolvenzrechtlich zu sichern. Zudem ist eine Verwahrstelle zu ernennen, die nicht der Emittent selbst sein darf. In Betracht kommen lediglich, je nach Fall, regulierte Anbieter von Kryptowerte-Dienstleistungen, Kreditinstitute und Wertpapierfirmen. Zudem ist die Vermögenswertreserve derart anzulegen, dass Markt-, Kredit- und Konzentrationsrisiken minimiert werden.

Fazit

Die Regelungen der MiCAR für E-Geld-Token und vermögenswertereferenzierte Token treten nicht zur Unzeit in Kraft. Gerade der Zusammenbruch der Terra-Stablecoins im Mai 2022 hat ein fundamentales öffentliches Bedürfnis an einer umfassenden Regulierung zu Tage treten lassen. Dieses lässt sich auch mit Blick auf das Erfolgsprojekt TetherUSD mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln nicht verneinen, bedenkt man dessen Mangel an hinreichender Regulierung und Beaufsichtigung sowie eingeschränkte Kleinanlegerrechte.

Die MiCAR hält unterschiedliche, wenn auch ähnliche Regelungskonzepte für E-Geld-Token und vermögenswertereferenzierte Token bereit. Kernstück ist in beiden Fällen die Sicherstellung der Wertstabilität durch Regulierung von Sicherung und Anlage der für die Ausgabe entgegengenommenen Gelder. Die Gelder sollen grds. insolvenzfest vom Vermögen des Emittenten separiert werden. Und ihre Anlage richtet sich nach detaillierten Vorgaben, welche der Minimierung von Markt-, Kredit- und Konzentrationsrisiken dienen. Ausgenommen von den MiCAR-Vorgaben zur Sicherung und Anlage sind lediglich Kreditinstitute, die E-Geld-Token emittieren. Denn diese unterliegen bereits den strengen Liquiditäts- und Solvabilitätsanforderungen der CRR, welche bereits umfassend die Verwaltung entgegengenommener Gelder regulieren.

Insgesamt dürfte davon auszugehen sein, dass die MiCAR das Schutzniveau für Anleger erheblich verbessern wird. In einem rechtssicheren Rahmen werden sich künftig vertrauenswürdige neue Marktakteure etablieren können. Die europäische Regulierung wird als Qualitätssiegel dienen, wodurch europäische Anbieter einen großen Vertrauensvorsprung erhalten können. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die hohen Anforderungen der MiCAR für Stablecoin-Emittenten ein lukratives und nachhaltiges Geschäftspotenzial versprechen.

Eine vertiefte Analyse der rechtlichen Unterschiede zwischen E-Geld- und vermögenswertereferenzierten Token ist in der juristischen Fachzeitschrift WM (Ausgabe 2024, Nr. 25, Seiten 1152-1159) zu finden.

Dr. Hendrik Müller-Lankow, LL.M. (UCL), ist Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und berät im Wertpapier-, Zahlungs-, Investment- und Kryptorecht.

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