BGH: Lebensversicher dürfen Bewertungsreserve kappen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. Juni 2018 (Aktenzeichen: IV ZR 201/17) entschieden, dass die Neuregelung zur Beteiligung des Versicherungsnehmers an Bewertungsreserven (sogenannte stille Reserven) in der Lebensversicherung nicht verfassungswidrig ist. Die Verbraucherschutzorganisation Bund der Versicherten stellt als Kläger nach wie vor die Verfassungsmäßigkeit des § 153 Absatz 3 Satz 3 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in der Fassung des Lebensversicherungsreformgesetzes vom 1. August 2014 in Frage und erwägt nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht.
Laut Neufassung des § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG kann ein Versicherer Bewertungsreserven aus direkt oder indirekt vom Versicherungsunternehmen gehaltenen festverzinslichen Anlagen und Zinsabsicherungsgeschäften bei der Beteiligung der Versicherungsnehmer an Bewertungsreserven nur insoweit berücksichtigen, als sie einen etwaigen Sicherungsbedarf aus den Verträgen mit Zinsgarantie überschreiten. Grund für diese Neuregelung war, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein lang anhaltendes Niedrigzinsumfeld mittel- bis langfristig die Fähigkeit der privaten Lebensversicherungsunternehmen bedrohen würde, die den Versicherten zugesagten Zinsgarantien zu erbringen.
Die gesetzliche Neuregelung des § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG enthält laut BGH zunächst eine unter dem Gesichtspunkt der Normenbestimmtheit und -klarheit präzisere Regelung gegenüber der Vorgängervorschrift des § 153 Absatz 3 Satz 3 VVG alte Fassung, die lediglich bestimmte, dass aufsichtsrechtliche Regelungen zur Kapitalausstattung unberührt bleiben. Sie stelle auch keine unzulässige Rückwirkung auf bereits abgeschlossene Lebenssachverhalte dar, so der BGH. Inhaltlich habe der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen getroffen, die sowohl die Interessen der ausscheidenden Versicherungsnehmer als auch derjenigen, die ihre Verträge noch in der Zukunft fortführen, sowie diejenigen der Anteilseigner berücksichtigen. Unter anderem habe er Änderungen der Mindestzuführungsverordnung vorgenommen, die zu einer höheren Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Risikoüberschüssen führen. Ferner hat der Gesetzgeber den Höchstsatz für die bilanzielle Anrechnung von Abschlusskosten herabgesetzt, um Vertriebskosten zu senken. Schließlich dürfe ein Bilanzgewinn an Anteileigner nur ausgeschüttet werden, wenn er einen etwaigen Sicherungsbedarf übersteigt.
Verfassungsrechtliche Bedenken an der Wirksamkeit der gesetzlichen Neuregelung bestehen laut BGH nach alledem auch unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers nicht. Im Einzelfall auftretende Härten führen nicht zur Verfassungswidrigkeit der Regelung insgesamt.
Quelle: Pressemitteilungen BGH und Bund der Versicherten
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) ist eine unabhängige und gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation. Der Verein wurde 1982 gegründet und zählt mehr als 50.000 Mitglieder. (JF1)