Finanzmanager raten zur Einführung der "Steuer gegen Armut"
Vor dem Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel drängen mehr als 50 Finanzexperten auf die Einführung der Finanztransaktionssteuer (FTS). In einem offenen Brief argumentieren sie, dass die Steuer die Finanzmärkte stabilisieren und die Einnahmen der Regierungen erhöhen würde. Der offene Brief ist eine Aktion der Nothilfe- und Entwicklungsorganisation Oxfam und der Kampagne „Steuer gegen Armut“.
Die Steuerabgabe auf den An- und Verkauf von Aktien und Derivaten könnte laut den Experten die Finanzmärkte stabilisieren und die schädliche kurzfristige Finanzspekulation eindämmen. In dem Brief wenden sie sich auch gegen den Einwand, dass die FTS das wirtschaftliche Wachstum bremsen könnte. Laut Meinung der Finanzprofis gebe es immer mehr Hinweise, dass die Steuer sogar das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde.
Avinash Persaud, Vorstandsvorsitzender bei der Beratungsfirma Intelligence Capital Limited und früherer Leiter des Bereichs Curreny and Commodity Research bei JP Morgan (UK), erklärt: „Die Argumente der Finanzindustrie gegen die FTS gehen nicht auf. Die FTS wird eben nicht Investitionen bremsen oder das Wirtschaftswachstum verlangsamen – sondern die gefährlichen Spekulationspraktiken eindämmen, die die Finanzkrise von 2008 ausgelöst haben.“
Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs gehören internationale Finanzexperten wie Lord Adair Turner, ehemaliger Vorsitzender der britischen Finanzmarktaufsichtsbehörde, Dr. William Barclay, früher Chicagoer Börse oder Dirk Müller, Finanzexperte und ehemaliger Börsenmakler aus Frankfurt. Die Einführung der FTS gehöre bereits seit 2010 zu Angela Merkels Versprechen, auch die Finanzwirtschaft an den Kosten der Finanzkrise zu beteiligen. Die Steuer ist Bestandteil des aktuellen Koalitionsvertrags, der nur noch bis zur Bundestagswahl im September umgesetzt werden kann.
Jörn Kalinski, für Oxfam Deutschland im Steuerungskreis der Kampagne „Steuer gegen Armut“: „Die Botschaft von Europas Top-Finanzexperten ist deutlich: Die Finanztransaktionssteuer ist ökonomisch sinnvoll. Die Bundesregierung und der deutsche Finanzminister müssen sich nun stärker dafür einsetzen, dass diese kleine Steuer mit großer Wirkung endlich beschlossen wird. Tun sie das nicht, haben Merkel und Schäuble ihr Versprechen an die Bürger gebrochen. Die zehn Finanzminister müssen jetzt einen genauen Zeitplan aufsetzen, damit es noch vor der Bundestagswahl zu einer Einigung kommen kann.“
Die Finanzexperten betonen in ihrem Brief, dass die europäische FTS signifikante Einnahmen erzielen würde. Diese Mittel könnten für Investitionen in Gesundheit, Bildung und soziale Sicherung eingesetzt werden – in Europa und weltweit. Laut einer Schätzung der Europäischen Kommission würde die FTS in den zehn europäischen Ländern bis zu 22 Milliarden Euro pro Jahr einbringen, davon könnten beispielsweise knapp vier Millionen Kinder zur Schule gehen.
Quelle: Pressemitteilung Oxfam
Oxfam ist ein internationaler Verbund von verschiedenen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen. Gegründet wurde das Unternehmen 1942 in Großbritannien. Seit 1995 gibt es Oxfam Deutschland. Die Arbeit wird über 52 Oxfam-Shops finanziert, in denen etwa 3.200 ehrenamtliche Mitarbeiter Secondhand-Waren verkaufen. (mb1)