Selbst erklärte Finanzschwäche der Victoria Lebensversicherung vor gerichtlicher Prüfung
In einem Musterverfahren gegen die Victoria Lebensversicherung kämpft der Bund der Versicherten (BdV) seit dem Jahr 2016 dafür, dass milliardenschwere Überschusskürzungen bei Lebens- und Rentenversicherungen für unwirksam erklärt werden. Durch Verfolgung der Klage bis zum Bundegerichtshof (BGH) konnte der BdV im konkreten Fall dafür sorgen, dass das Landgericht Düsseldorf am 10. Februar 2022 nun den Fall erneut bewerten muss.
Hintergrund des Verfahrens ist das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), das im Jahr 2014 beschlossen wurde, um die Lebensversicherungsbranche zu stützen. Dieses Gesetz erlaubt Lebensversicherern, die sich beispielsweise mit zu hohen Garantiezinsen verkalkuliert haben, bestimmte Gelder der Versicherten aus der Überschussbeteiligung zu kürzen. Dies kann aber nur erfolgen, wenn beim jeweiligen Versicherer ein sogenannter „Sicherungsbedarf“ aufgrund einer schwachen Finanzlage vorliegt. Auf gerade diese Situation beruft sich die Victoria, ein Unternehmen der Ergo-Gruppe, und kürzte die Auszahlung im Beispielfall um knapp 2.700 Euro. Aus Sicht des BdV hat die Victoria aber ihre damalige Finanzschwäche nicht hinreichend belegt. „Wenn das Versicherungsunternehmen dem Kunden die Auszahlung kürzen will, dann sollte es schon selbst begründen, warum es so arm ist, dass es dem Versicherten in die Taschen greift“, erklärt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher der BdV.
Bei dem Geld, das den Versicherten vorenthalten wird, geht es um die sogenannten Bewertungsreserven aus festverzinslichen Wertpapieren. An diesen sind die Versicherten nach Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts angemessen zu beteiligen. Ein solches Urteil hatte der BdV bereits im Jahr 2005 erstritten. „Die Beteiligung an diesen Bewertungsreserven ist ein verfassungsrechtlich gesicherter Anspruch der Versicherten und keine Mildtätigkeit der Versicherungsunternehmen“, erläutert Kleinlein.
Im konkreten Fall beruft sich die Victoria darauf, durch Fehlkalkulation mit zu hohen Garantien in eine derart schwierige Finanzlage geraten zu sein, dass sie die Überschussbeteiligung massiv kürzen musste. Ob diese prekäre Finanzlage tatsächlich vorlag, ist indes aus Sicht des BdV nicht hinreichend belegt. Konkret geht es nun insbesondere auch darum, ob die Victoria die Voraussetzungen für die Finanzlage selber beweisen muss. Aus Sicht des BdV sollte diese Beweislast beim Versicherer liegen: „Erst behauptet das Versicherungsunternehmen zu arm zu sein, dann beleget es diese Behauptung aber nicht ausreichend und trotzdem begründet es damit das Vorenthalten von Überschüssen“, so Kleinlein. (DFPA/JF1)
Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) ist eine unabhängige und gemeinnützige Verbraucherschutzorganisation. Der Verein wurde 1982 gegründet und zählt mehr als 45.000 Mitglieder.