"Urteil zur Versicherungsunabhängigkeit fußt auf falschem Ansatz"
Der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Versicherungsmakler-Gesellschaft kann nicht zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer einer Versicherungsberater-Gesellschaft sein. Anderenfalls sei die „Versicherungsunabhängigkeit“ nicht gewahrt. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 31. März 2017 (Aktenzeichen: OVG 1 N 41.15) entschieden (DFPA berichtete). Damit hat das Gericht der bisher von vielen bevorzugten Zwei-Firmen-Lösung zur Umgehung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) eine Absage erteilt. Während Industrie- und Handelskammern (IHK) sich durch das Urteil bestätigt sehen und in Zukunft bei personeller Identität der Gesellschafter und Geschäftsführer keine zusätzliche Erlaubnis erteilen wollen, verkennt das Gericht aus Sicht der Kanzlei Jöhnke & Reichow die entscheidende rechtliche Trennung zwischen den einzelnen Gesellschaften.
Laut Jöhnke & Reichow ist auf Grundlage der juristischen Person zu prüfen, ob die Unabhängigkeit gewährleistet ist oder nicht. Denn: Jede juristische Person besteht unabhängig voneinander, sodass auch die jeweiligen juristischen Personen Gewerbetreibende nach der GewO sind und nicht die Geschäftsführer oder Gesellschafter. Somit wäre es falsch, auf die Interessen der Gesellschafter oder Geschäftsführer abzustellen.
Geschäftsführer oder Gesellschafter könnten zwar von einer Vielzahl von Interessen oder Neigungen beeinflusst werden. Schlussendlich obliege es jedoch den jeweiligen Gesellschaften untereinander dafür zu sorgen, dass diese wechselseitigen Interessen miteinander in Einklang gebracht werden. Schon damit sich der Gesellschafter-Geschäftsführer nicht im Innenverhältnis schadensersatzpflichtig macht, sei eine genaue Definition erforderlich, wann er für welche Gesellschaft vermittelnd/beratend tätig zu sein hat. Diese Trennung zu prüfen ist Jöhnke & Reichow zufolge jedoch nicht Aufgabe der IHK oder der Verwaltungsgerichte. Da der Gesellschafter-Geschäftsführer die Interessen seiner beiden Gesellschaften zu gleichen Teilen zu wahren hat, bestünde auch keine Gefahr, dass in seiner Person bestehende Interessen zum Nachteil des Versicherungsnehmers werden.
Problematisch ist, inwieweit die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg auch auf andere Fallkonstellationen übertragbar ist, so Jöhnke & Reichow. Dies betreffe insbesondere die Fälle, in denen es neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer auch andere Gesellschafter oder Mitgeschäftsführer gibt. Bereits dadurch könnten Jöhnke & Reichow zufolge entscheidende Kontrollinstanzen eingerichtet werden. Daneben bestehe auch die Möglichkeit von Überkreuztätigkeiten.
Viele Versicherungsmakler erwägen auch in Ansehung der nahenden Umsetzung der IDD für den Bereich der Servicepauschalen eine gesonderte Versicherungsberatungsgesellschaft zu gründen. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg wäre auch für solche Pläne ein mögliches Hindernis.
Quelle: Pressemitteilung Jöhnke & Reichow
Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte ist eine Rechtsanwaltskanzlei mit Sitz in Hamburg. Sie ist auf die Bereiche Bankrecht, Erbrecht, Kapitalanlagerecht, Markenrecht, Urheberrecht, Vertriebsrecht, Versicherungsrecht und Wettbewerbsrecht spezialisiert. (JF1)