Erste Solvency II-Veröffentlichungen erwartungsgemäß
Am 20. Mai 2017 veröffentlichte der Großteil der deutschen Versicherer erstmalig den „Bericht über Solvabilität und Finanzlage“ (Solvency and Financial Condition Report, kurz SFCR) im Rahmen von Solvency II. Die Ausnahme bildeten einige wenige Unternehmen, die bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Veröffentlichung eines „Single SFCR“ der Gruppe beantragt hatten und somit etwas später veröffentlichen durften. Michael Kluettgens, Leiter Versicherungsberatung Deutschland bei der Beratungsgesellschaft Willis Towers Watson: „Unter Solvency II zeigen sich die deutschen Versicherer in der ersten Runde standhaft. Dennoch sind viele Gesellschaften ohne die Übergangsmaßnahmen noch nicht am Ziel, was zahlreiche Baustellen in den Unternehmen aufwirft. Einen kritischen Blick verdient außerdem die sehr unterschiedliche Erfüllung einiger Anforderungen sowie die Qualität der Eigenmittel: Auf diese Weise greift Solvency II als Maß für Vergleiche noch zu kurz.“
Die Lebensversicherer zeigen laut Willis Towers Watson im Schnitt, ohne Berücksichtigung der Übergangsmaßnahmen, eine durchschnittliche Solvenzquote von 209 Prozent. Dennoch konnten elf der 81 analysierten Lebensversicherer die 100-Prozent-Hürde ohne Übergangsmaßnahmen nicht nehmen. Weitere 29 Gesellschaften liegen, ohne Übergangsmaßnahmen, bei unter 150 Prozent. Im Großen und Ganzen entspricht dies laut Willis Towers Watson den Erwartungen - es überrasche nicht, dass zahlreiche Gesellschaften ohne Übergangsmaßnahmen keine ausreichende Solvabilität ausweisen.
Die aufsichtliche Solvenzquote ist bei den mittelgroßen Gesellschaften höher als bei den Top-10-Gesellschaften – diese Zahl werde jedoch dadurch verzerrt, dass der Anteil der Nutzer von Übergangsmaßnahmen unter den Top 30-Gesellschaften (17 insgesamt) höher sei als unter den Top-10-Gesellschaften (drei insgesamt).
Die Eigenmittel der deutschen Lebensversicherer setzen sich größtenteils aus Positionen zusammen, die dem Versicherungsnehmer zuzuordnen oder nicht als ökonomischer Unternehmenswert monetarisierbar sind, zum Beispiel Übergangsmaßnahmen, Überschussfonds sowie mit der Going-Concern-Reserve auch ein Teil der Ausgleichsrücklage. Abzuwarten bleibe, wie sich diese Positionen über den Zeitverlauf bei anhaltend niedrigem Zinsniveau entwickeln werden.
Laut Kluettgens lieferten die qualitativen Teile des SFCR spannende Details. So mussten einige Lebensversicherer im Teil E (Kapitalmanagement) von einer zeitweisen Unterdeckung der Minimum Capital Requirements (MCR) berichten. Weiterhin interessant seien die Ausführungen zu den Internen Modellen der Versicherer, in denen zum Beispiel auch die materielle Wirkung des dynamischen Volatility Adjustments in Bezug auf das Spreadrisiko herausgestellt wird.
Insgesamt ist Kluettgens zufolge bei den qualitativen Teilen jedoch festzuhalten, dass die Anforderungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) von den Unternehmen noch sehr unterschiedlich aufgefasst werden. Das resultiere in sehr unterschiedlichen Berichten: Einige Unternehmen berichten detailliert über ihre Risikoexponierung und Risikokonzentrationen, wohingegen andere Unternehmen nur eine allgemeingültige Definition ihrer Einzelrisiken niederschreiben. Bei manchen Unternehmen werde es diesbezüglich im nächsten Jahr Nachholbedarf geben, um den VAG-Vorgaben gerecht zu werden. Auch das einheitliche Füllen der quantitativen Formulare (Quantitative Reporting Templates, QRTs) nach Vorgaben der BaFin wäre im nächsten Jahr sicherzustellen. Insgesamt hält Kluettgens fest, dass die Unternehmen mit den QRTs zwar eine Flut an Informationen zur Verfügung stellen müssen, aber nur einige wenige Daten tatsächlich für Außenstehende relevant seien. Auf der anderen Seite fehlten wichtige Informationen wie zum Beispiel eine granulare Zerlegung der Ausgleichsrücklage oder der einzelnen Risikokategorien im Solvency Capital Requirement (SCR).
Quelle: Pressemitteilung Willis Towers Watson
Willis Towers Watson bietet Advisory, Broking und Solutions. Das Unternehmen beschäftigt rund 39.000 Mitarbeiter in mehr als 120 Ländern. (JF1)